: Wallhecken sterben einsam
■ Naturdenkmäler rettungslos verloren / Behörden gucken weg
Wallhecken sterben einsam
Naturdenkmäler rettungslos verloren / Behörden gucken weg
Manch einer wird Wallhecken schon gar nicht mehr kennen. Aus dem Landschaftsbild sind die mit Bäumen oder Sträuchern bewachsenen Wälle immer weiter verschwunden. Vor rund 50 Jahren gab es nach Angaben des Landesamtes für Ökologie noch rund 40.000 Kilometer Wallhecken in Niedersachsen. Heute sind es nur noch 20.000 — obwohl die Sträucher und Bäume seit 1935 unter Schutz stehen und nicht beseitigt werden dürfen. Sie prägen vor allem weite Teile Ostfrieslands und des Oldenburger Raumes.
Die Hecken fielen Straßen, Häusern oder der Flurbereinigung zum Opfer. „Das Sterben ist nicht aufzuhalten“, meint der Wallhecken-Experte der Biologischen Schutzgemeinschaft Hunte-Weser-Ems, Georg Müller aus Ganderkesee. „Mit Erhalten und Pflegen ist da nicht viel“. Reiße ein Bauer eine Hecke heraus, weil er entgegen aller Erfahrung eine Minderung seines Ertrages befürchtet, drückten die Behörden alle Augen zu.
Dabei läßt sich nach Ansicht der Naturschützer einiges aufzählen, was für die Hecken spricht. Die Sträucher und Bäume verbessern den Ertrag der Böden, indem sie Wind abhalten, die Feuchtigkeit des Bodens erhöhen und Bodenerosion verhindern. Singvögel, Fledermäuse, Erdkröten, Laubfrösche, Hasen und viele andere Tiere finden in den Wallhecken Unterschlupf und Nahrung. Mit Blattläusen, Fliegen, Würmern und Käfern ist der Tisch reich gedeckt. Gleichzeitig bietet die Hecke den Tieren Schutz vor Sonne, Wind, Regen und Frost.
Wallhecken gibt es vermutlich seit der Eisenzeit, also schon einige Jahrhunderte vor Christi Geburt. Überwiegend entstanden sie allerdings im 18. und 19. Jahrhundert. Dort, wo der Mensch Bäume fällte und den Wald zurückdrängte, entwickelten sich diese Art Hecken. Als Begrenzung waren Wallhecken billiger, haltbarer und pflegeleichter als Holzzäune — gerade in dem von Holzarmut geprägten Mittelalter. Mit der Entwicklung von Flurplänen und Katastern ging die Bedeutung der Wallhecken gerade als Grenzmarkierung und Einfriedung immer mehr zurück. Ende des 19. Jahrhunderts kam mit dem Drahtzaun der große Konkurrent auf den Markt.
Eines könnte die Hecken allerdings retten. Ihre Zerstörung müßte wie vieles im Straßenverkehr nach einem Bußgeldkatalog bestraft werden, schlägt Müller vor. „Sie glauben nicht, wie schön dann die Wallhecken wären.“ Joachim Baier/dpa
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