Wir können auch anders

■ Ein Western, der an der Ostsee endet / Roadmovie von Detlev Buck

Auch die Straße nach Wendelohe kann mit Abenteuern gepflastert sein: mit Sergio Leone am Baggersee und High Noon in den neuen Bundesländern. Die Brüder Kipp und Most wollten eigentlich nur mit ihrem altersschwachen Pritschenwagen zu Omas Grab fahren und ihr geerbtes Haus in Besitz nehmen. Aber da beide nicht lesen können, helfen ihnen Landkarte und Hinweisschilder nur wenig. Ein desertierter Rotarmist mit Kalaschnikow und strahlendem Lächeln kompliziert ihre Reisepläne erheblich, und als ihnen schließlich Wegelagerer mit Eisenketten und Klappmessern auflauern, da hebt der freundliche Kipp, der es eigentlich immer nur nett und adrett haben will, drohend den Zeigefinger und verkündet (mit stockender Stimme) „Wir können .... auch anders!“

Detlev Buck und Coautor Ernst Kahl haben zwei schusslige Helden on the road geschickt, die in jeder Situation todsicher das Falsche tun, und gerade deshalb natürlich unbesiegbar sind. Kipp ist ein gesitteter Spinner mit leichtem Sprachfehler und einer irritierenden Vorliebe für Monologe. „Was sabbelst du bloß immer soviel?“ ist dagegen für seinen wuchtigen Bruder Most schon eine ungewöhnlich ausschweifende Äußerung.

Kipp und Most ähneln nicht nur äußerlich Laurel und Hardy: Große Kinder, die im Grunde so spießig leben wollen wie alle anderen. In aller Unschuld verursachen sie das größte Chaos. „Wir sind Mörder, das haben wir aber auch selber gar nicht gewußt!“ erklärt Kipp freundlich der pfiffigen Nadine, die er und seine Kumpanen so nebenbei in einer Kneipe als Geisel genommen haben.

Oft glaubt man Buck und Kahl auf die Schliche zu kommen: Einige Szenen hat man so ähnlich schon in anderen Komödien, Roadmovies oder Western gesehen — man weiß ja, wie sowas weitergeht. Aber dann ist wieder eine groteske Finte im Plot und man erkennt, wie geschickt die beiden mit den Filmstilen jonglieren.

Außerdem haben sie ein gutes Gespür für komische Details. Ein dünner Fernfahrer entpuppt sich als hundsgemeine Karikatur von Marius Müller-Westernhagen und Coautor Ernst Kahl hat eine kleine, aber feine Nebenrolle als Betrunkener, der sich mit bewunderungswürdiger Standhaftigkeit an der Antenne eines Polizeiautos festhält. Buck liebt seine Filmfiguren, und er liebt seine Schauspieler. Selbst wenn Horst Krause als Most an einen Baum gefesselt sitzt und mit seiner Socke im Mund nur böse gucken kann, wirkt er zwar komisch, aber nicht gedemütigt oder gar gequält. Er hat die Statur und Haltung eines Stehaufmännchens. Joachim Krol ist als Kipp ein ewiger Optimist mit „der glücklichen Gabe des Vergessens“ (so Buck selber). Wenn er im Cafe zwei feine Damen zum Likör einlädt und so schusselig herumplappert, daß sie sich sehr bald bedeutungsvolle Blicke zuwerfen und verdrücken, dann hat Kipp zwar einen Narren aus sich gemacht, aber der Zuschauer fühlt: Die feinen Damen haben den armen Kipp fies abblitzen lassen. Im märchenhaften Happy End gönnt Buck ihm sogar ein gespanntes Auditorium. Sein Thema: Kaufhauskataloge. Wilfried Hippen

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