Schäuble hält weitere Kampfeinsätze für möglich

■ Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts macht nach Schäubles Ansicht in der Zukunft weitere Bundeswehr-Kampfeinsätze im Einzelfall möglich

Bonn (dpa) – Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der letzten Woche versuchten Vertreter der Parteien in den Ostertagen ihre Interpretation des Richterspruchs festzuklopfen. So sieht CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble jetzt weitere Kampfeinsätze der Bundeswehr über die Awacs-Mission hinaus für möglich. Im ZDF sagte er, es werde nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die deutsche Beteiligung an der Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien-Herzegowina keinen Automatismus geben. Doch „werden wir in der Zukunft uns die Entscheidung im Einzelfall vorbehalten müssen, wie jedes andere Land auch“.

Für den CSU-Bundestagsabgeordneten Josef Hollerith ist dagegen bereits jetzt alles klar. Gegenüber der Bild-Zeitung gab er zum besten, die Bundeswehr solle nun auch eigene Kampfflugzeuge einsetzen, da das Grundgesetz auch deren Einsatz decke. Sein CDU- Kollege Dietrich Austermann erklärte der Zeitung, Deutschland sei wegen seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg „geradezu verpflichtet“, mitzuhelfen, daß Menschenrechte in Ex-Jugoslawien nicht weiter mit Füßen getreten werden.

Die SPD machte dagegen aus ihrer Enttäuschung über Karlsruhe keinen Hehl. Das Präsidiumsmitglied Heidi Wieczorek-Zeul erklärte in einer Pressemitteilung, das Verfassungsgericht habe mit seiner Mehrheitsentscheidung in seiner Schutz- und Hüteraufgabe für die Verfassung versagt. Nach der geltenden deutschen Verfassungslage wäre eine einstweilige Anordung gegen die Teilnahme deutscher Soldaten zwingend gewesen.

Das Karlsruher Gericht habe keinerlei verfassungsrechtliche oder verfassungspolitische Begründungen seiner Entscheidung gesucht oder gegeben, sondern sich an die Stelle einer nach den Worten von Frau Wieczorek-Zeul nicht funktionsfähigen, schlechten konservativen Bundesregierung gesetzt. Günter Verheugen, der die SPD in Karlsruhe vertreten hatte, warnte davor, daß die Bundesregierung die Entscheidung als Ermächtigung für andere Einsätze mißbrauchen könnte.

Unterdessen forderte CSU-Generalsekretär Erwin Huber die Entlassung der FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Auch der FDP-Rechte und ehemalige Staatssekretär im Landwirtschaftministerium Georg Gallus behauptete, die Ministerin werde auch in der eigenen Partei immer mehr zu einem Ärgernis. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die inzwischen von FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff in Schutz genommen wurde, hatte im Vorfeld der Entscheidung des Verfassungsgerichts indirekt die Koalitionsfrage gestellt.

Außenminister Kinkel (FDP) rief dazu auf, den Druck auf die serbische Führung zu verstärken. Weitere massive Sanktionen blieben angesichts der Ungewißheit militärischer Möglichkeiten zur Beendigung des Krieges „das tragende Element der Krisenpolitik der internationalen Staatengemeinschaft“.