: Friede, Freude, Eiersuchen
■ 70.000 Menschen demonstrierten gegen Bundeswehreinsätze und Bombenabwurfplätze
Ganz Deutschland (taz/dpa) – Die verlorenen bzw. in Karlsruhe abgelegten Eier der Regierungskoalition haben rund 70.000 BürgerInnen auf ihren traditionellen Ostermärschen gesucht und gefunden: Im Mittelpunkt der Protestaktionen standen die geplante deutsche Beteiligung an den Awacs-Flügen über Bosnien und der Bombenabwurfplatz bei Wittstock in Brandenburg, letzterer als Symbol für den Willen, „weiter Krieg zu üben“.
Insgesamt waren die Demonstrationen zahlenstärker als im Vorjahr, was die Informationsstelle Ostermarsch in Frankfurt am Main auf die Karlsruher Entscheidung zurückführte. Am Standort der Awacs- Aufklärungsflugzeuge in Geilenkirchen bei Aachen protestierten am Montag knapp 200 Menschen; die größte Demonstration der seit Jahren dezentral organisierten Ostermärsche fand in Berlin statt, wo selbst die Polizei von „gut 9.000“ TeilnehmerInnen sprach.
Seit Karfreitag hatten örtliche Friedensgruppen in mehr als 150 Städten mit Märschen, Mahnwachen, Gottesdiensten, Fahrradstafetten und Informationsveranstaltungen gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr sowie gegen Rüstungsexporte und -produktion demonstriert. Ein weiteres Thema war der Erhalt des Asylrechts und die Solidarität mit Flüchtlingen.
Am Sonntag hatten in Buchenwald zum 48. Jahrestag der Selbstbefreiung der KZ- Häftlinge rund 2.000 Menschen für die Achtung der Menschenrechte und die politische Erinnerung demonstriert. Wie nötig auch letzteres noch immer ist, zeigte der Frankfurter Literaturkritiker Wilfried F. Schoeller: Der sorgte für einen Eklat, als er in seiner Rede zur dortigen Eröffnung der Ausstellung „Reue ist undeutsch“ Parallelen zwischen der konspirativen Arbeit des früheren Lagerkomitees der Häftlinge und den konspirativen Methoden der DDR-Staatssicherheit zog. Mehrere ehemalige Häftlinge, darunter der Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora, Pierre Durand, verließen den Saal.
Einen regionalen Konflikt mit überregionaler Bedeutung gab es nicht nur in Wittstock, sondern auch in Sachsen-Anhalt: dort hatten am Karfreitag etwa 1.000 DemonstrantInnen in der Colbitz-Letzlinger Heide gegen die weitere militärische Nutzung nach dem Abzug der russischen Streitkräfte protestiert. Auch wenn es in letzter Zeit ruhiger wurde, sei der Kampf „noch nicht verloren“, betonte der Colbitzer Bürgermeister und Vorsitzender der BI, Hans-Joachim Nahrstedt. Derzeit würden in Zusammenarbeit mit der sachsen- anhaltinischen Landesregierung rechtliche Schritte gegen die Bundeswehrpläne vorbereitet, in der Heide das modernste Gefechtsübungszentrum der Welt einzurichten.
Als Subjekt politischer Rede wurde über Ostern auch überraschenderweise ein Ministerium ermittelt: Laut dpa „warf das Verteidigungsministerium den Demonstranten vor, sie handelten ,realitätsfern‘. Die Ostermarschierer sollten lieber für die Durchsetzung der Menschenrechte auf die Straße gehen“. Daß eine Forderung der DemonstrantInnen war, die Bundesrepublik solle sich durch humanitäre Solidarität mit Flüchtlingen und AsylbewerberInnen, verstärkte Friedensforschung und eine effektive Kontrolle von Rüstungsexporten – bzw. das Verbot von Rüstungsproduktion selbst – international einen Namen machen, wurde freundlicherweise übergangen. Bericht Seite 4, Kommentar Seite 10
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