Verbogene Gesichter

■ 44 Foto-Portraits aus Plüschow in der Galerie Gruppe Grün

Es soll Leute geben, die sich einen Spaß daraus machen, über anderer Leute Paßfotos zu lästern. Über verzerrte Gesichtszüge, starre Blicke und verzogene Mundwerke. Mit einer ganzen Reihe „verbogener“ Paßfoto-Porträts — 44 an der Zahl und zu allem Überfluß auf 10 mal 13 Zentimeter vergrößert — konfrontiert zur Zeit der Künstler Fritz Rahmann die BesucherInnen der Galerie Gruppe Grün. Titel seiner Foto- Ausstellung: „Teilnehmer“.

Teilgenommen haben die Fotografierten vor ein paar Jahren an der Planung einer Kunst-Ausstellung im Mecklenburg-Vorpommer'schen Örtchen Plüschow. Das 300-Seelen-Dorf besitzt nämlich einen Kunstverein, der kurz nach der Wende für eine Präsentation auf „Schloß Plüschow“ unter anderen den Realkünstler Fritz Rahmann verpflichtet hatte. Der kam, sah und richtete seinen Kunstbeitrag für Plüschow „nach dem, was wirklich da war“. Er fotografierte sämtliche Köpfe des örtlichen Kunstvereins, und bearbeitete dann jedes einzelne Foto: Das eine wölbte er längs, dem anderen bog er die rechte obere und die linke untere Ecke nach hinten, eines wurde oval, keines blieb wie ein anderes.

Das „ist neu, hat Pepp“ und war für Andreas Wegner von der Galerie Gruppe Grün attraktiv genug, um Fritz Rahmann damit nach Bremen einzuladen. Nun hängen also 44 Gesichter auf deformierten Fotos an kalter weißer Wand mit 30-Zentimeter-Abstand.

Niemand hier kennt die Menschen aus Plüschow, daher ist die Bilderreihe schnell abgeschritten, von träumerischem Flanieren kann nicht die Rede sein. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten, den frontal blickenden Unbekannten zu begegnen: Entweder ich husche mäßig interessiert zur Seite schielend an ihnen vorüber, oder aber ich stelle mich ihnen mutig face-to-face.

Dunkle Augen hinter dicken Brillengläsern schauen von dem einen Bild zögerlich in den Raum, die junge hübsche Frau darauf wirkt schüchtern — und die Form des Fotos? Beide Längsseiten nach hinten zurückgehalten. Frech und provokant dagegen der kurzgeschorene Mittvierziger auf dem Bild, das auf Höhe der Stirn- Runzeln gewellt wurde.

Diese Personen werden über die Verformung des Materials lebendig und greifbar. Und wenn ein Foto für die Abbildung einer Persönlichkeit nicht ausreicht, dann stehen eben zwei nebeneinander.

Ob wir jetzt die „wirklichen“ Plüschower gesehen haben? Wieviel von den „verformten“ Eindrücken Einbildung, Interpretation oder einfach optische Wirkung ist, bleibt offen. Wer sich auf die Konfrontation mit den fremden Gesichtern einläßt, erklärt sich dagegen selbst zum „Anteilnehmer“.

PlüschowerInnen zum Kennenlernen noch bis 24.April in der Galerie Gruppe Grün.

vip