: Stasi-Knast als Gedenkstätte
■ Ex Häftlinge der Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Hohenschönhausen wollen Gelände so belassen, wie es ist / Erbenantrag ändert nichts an Gedenkstättenkonzept
Berlin. Autosalons, Werkstätten und Billigläden wuchern um das riesige Gelände der Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Hohenschönhausen. Die grauen Stahltore sind zu. Wenn sie sich wieder öffnen, dann für eine Gedenkstätte der Opfer. Daran ändere auch ein Antrag der Erben eines Fleischmaschinenfabrikanten nichts, die ihr Grundstück zurückhaben wollen, so die Berliner Senatsverwaltung für Kultur.
Das Gelände diente den Sowjets nach Kriegsende als „Archipel Gulag“. Die deutschen Lagerhäftlinge mauerten ihre Zellen selbst. Seit 1951 bis kurz vor Ende des SED-Regimes befand sich an gleicher Stelle der nicht weniger verhaßte Stasi-Knast.
Der Ort des Grauens hinter meterhohen Betonmauern mit unterirdischen Dunkelzellen steht seit Oktober vergangenen Jahres unter Denkmalschutz. Dem Ostberliner Werner Rösler vom „Bund Stalinistisch Verfolgter in Deutschland“ – als 22jähriger Rundfunk-Volontär war er ohne jede Begründung nach Hohenschönhausen verschleppt und zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden – geht wie auch anderen Opfern die Umgestaltung zu langsam. „Die Ex-Häftlinge möchten das Gelände so belassen, wie es ist“, meint Jacek Gredka (SPD) von der Bezirksverordnetenversammlung Höhenschönhausen, der sich bemüht, Mitglieder der Opferverbände an einen Tisch zu bringen. Vollends ins Leere stieß die Idee eines FDP-Abgeordneten, der auch die auf Abriß stehenden DDR-Denkmäler der Stadt hinter den „Knastmauern“ aufstellen will. Lauter Protest auf einer Bürgerversammlung: „Das wird doch Disneyland.“
Das historische Geschehen dem Dunkel entreißen
„Ideologische Täter auf die Gräber von Opfern zu setzen, ist einfach unerträglich“, urteilt auch Richard Dahlheim, in der Kulturverwaltung des Senats verantwortlich für Gedenkstätten. Die „Ungeduld“ sei ihm verständlich, aber: „Wir müssen erst alle Dokumente zusammentragen, um das historische Geschehen dem Dunkel zu entreißen.“ Allein in den ersten fünf Jahren durchliefen das sowjetische Zwangslager wahrscheinlich etwa 10.000 Häftlinge, 3.000 kamen unter den unmenschlichsten Bedingungen um. Nach ihren Gräbern wird gesucht. Ein Teil der Verbrechen läßt sich nun durch „Transportlisten, Urteile und Korrespondenzen der Sowjets“ aufklären, die der Deutsche Suchdienst zu Jahresbeginn aus dem Geheimarchiv „Oktoberrevolution“ in Moskau erhielt.
Zwei Millionen Mark, schätzt Dahlheim, müßten für den Ausbau der Gedenkstätte für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft ausgegeben werden. Da Berlin allein über diese Mittel nicht verfüge, sei an eine Beteiligung des Bundes und der neuen Länder gedacht. Von der gelegentlichen Öffnung der Gefängnistore für Besichtigungen zwecks „Geschichtsbewältigung“ hält Dahlheim wenig: „Ein Familienausflug, wo sich jeder ein Souvenir mitnimmt.“ Irma Weinreich/dpa
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