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■ „Worauf wir abfahren“ Frühe Filme von Detlef Buck

Detlef Buck in frühen Jahren Foto: Verleih

Sollten Sie sich zufällig gerade in der Art von Katerstimmung befinden, in der man der Welt, wenngleich etwas verschwommen, so doch höchst freundlich gesonnen ist, dann sind Sie die ideale Kundin für die frühen Kurzfilme von Detlef Buck. Eine Westerngitarre swingt Sie ein, zu Porträts von Kühen, die ins Freie wollen; Männern auf verlornem Posten, rülpsenden Friseusen, zu norddeutschen Seen und Bierzelten; niemand will Ihnen was Böses oder was Pädagogisches oder was Richtiges und Wichtiges: Alles ist so angenehm folgenlos...

„Hopnick“ (1989) zum Beispiel: Hopnick ist Grenzer am stillgelegten Grenzübergang bei Heiligensee. Er hat nichts anderes zu tun, als verirrte Autofahrer auf den rechten Weg zu schicken. Er hört die Fliegen surren, ist ein Stoiker geworden. Abends geht er mit einer Flasche Mariacron auf die Bootsparty eines Kollegen, der seinen Ingenieur (Inschenör) gemacht hat. Jemand hält eine Rede, typische Buck-Poesie: „Festgemauert in der Erden/ soll das stehen, was du erbaut/ Groß und sauber soll es werden/ was du dir zu bauen traust.“ Hopnick kennt keinen, schenkt allen ungarische Spätlese ins Glas, und kippt sich selbst, langsam aber sicher, einen handfesten Rausch ein. Schließlich gibt er dem EDV-Wichser, der sich an seine rotharige Auserwählte gemacht hat, eins auf die Nuß. Hopnick, von Buck selbst mit liebenswerter slow motion gespielt, hat sich in dem Eierkopp verkalkuliert und humpelt wie ein zerrupftes Kaninchen vom Platz.

Überhaupt: Die Karniggel, die Kühe, die grunzenden, besudelten Schweine haben alle irgendwie ein ganz ähnliches Karma wie Hopnick: gutmütig, maulfaul, schabernackig, unberechenbar. Wenn Hopnick sich prügelt oder die Kuh ihren Kopf im Gras reibt, wenn die Rothaarige, eine Friseuse, nicht mehr aufhören kann, an Hopnicks Haaren rumzuschnippeln, dann sind das kleine Fluchten, nichts Weltbewegendes. Die Chemie stimmt nur, wenn sich zwei von diesen Figuren begegnen: Die Kuh aus „Schwarzbuntmärchen“ trifft, nachdem sie mit der Schnauze voran in den Elektrozaun gerannt ist, eine Gleichgesinnte auf der Wiese, die ebenfalls gerade eine gute Strecke im Schweinsgalopp zurückgelegt hat. Sie schuppern Schädel an Schädel.

Buck ist gerade mal dreißig, stammt aus Bad Segeberg und hat nach dem Zivildienst eine Landwirtschaftslehre gemacht. Der Aufnahmekommission der Berliner Filmakademie versprach er einen Sack Kartoffeln Marke „Granola“ für den Fall, daß sie seine Bewerbung zu Ende läsen. Er wurde angenommen. Folgerichtig hieß sein erster Film „Der Fänger im Roggen“. Der Pastorale ist er treu geblieben, auch in „Es gräbt“. In edlem Schwarzweiß gehalten, wird ein anderer Stoiker beim Umgraben eines Flusses beobachtet. Der Chef kommt vorbei und treibt blöde an: Dazu ein bißchen keuchenden O-Ton und Chopin, und graben, graben, graben – schon ist's um den Chef geschehen...

Das Ungewöhnlichste an Buck – das, was ihn so angenehm abhebt von all den Schlingensieffs und Schraders – ist, daß er in einem Berliner Bierzelt filmen kann, ohne die Folks, die sich dort in Ruhe betrinken und durch den Saal schunkeln, mit diesem Hauch wohlwollender Arroganz oder Übelkeit zu zeigen – Sentimente, die man so oft spürt, wenn sich Bürgerkinder in die Spelunken wagen. Jawohl, da ist Tony Marshall, da sind Falten, Säufergesichter und gefärbte Kitschfrisuren, aber da ist eben auch echtes Amusemang. Hier und da wird der Film im Schnappschuß gestoppt, in diesem freeze frame sieht man die Momente, die Buck sucht: Einer bläst heimlich in sein Glas, gurgelt verschämt mit dem kleinen Kirsch; einer schickt einen Gasballon in die Luft, ein anderer verkauft Äffchen aus Stoff. „Was drin ist“ (1988), ist wie das fünfte Bier: ein bißchen schwindelig, ein bißchen kurz, und sehr gesellig. Was in den Siebzigern, bei all den jungen roten Filmkollektiven nicht gelang, Buck schüttelt's locker aus dem Ärmel: der Malocherfilm, in dem man den Besen, den Fräser, den Rindstein oder den flüssigen Teer sieht; Details ohne Prolo-Pathos, dafür mit einem Hauch Straßenpoesie, der den Beteiligten wohl nicht einmal prätentiös erschienen wäre. „Worauf wir abfahren“ (1988) paßt in jedes IG-Metall-Freizeitheim.

Wenn nicht alles bei Buck im schon erwähnten maulfaulen Slow-motion-Rhythmus vor sich gehen würde – Woody Allen hätte ihn längst adoptiert. Seelenverwandt sind sich die beiden vor allem, was das Hofieren angeht: Männer treffen Frauen an der Tankstelle und haben sich unheimlich was ausgedacht, warum es für die Frau genau jetzt extrem wichtig ist, daß die Schöne sich zu ihnen ins Auto setzt. Einer geht im Schwimmbad duschen; als die Putzfrau reinkommt, behält er vor Schreck die Badehose an, aber dann reitet ihn der Vorwitz, er wirft sie weg, steht für einige Schrecksekunden nackt, bloß und pummlig vor den Kacheln und hat schließlich aber doch Glück: Er gefällt ihr... („Eine Rolle Duschen“, 1987). mn

Im Checkpoint: „Karniggels“ (15.-24.4.); Kurzfilme: „Es gräbt“, „Normal bitte“, „Worauf wir abfahren“, „Was drin ist“, „Eine Rolle Duschen“ und „Schwarzbuntmärchen“ (17.–-21.4.).

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