Mikrowellenreiter und Dustbunnies Von Andrea Böhm

Amerikaner, sofern diese Verallgemeinerung überhaupt zulässig ist, haben ein überdurchschnittlich inniges Verhältnis zu Umfragen und Statistiken – vor allem dann, wenn sie das Selbstwertgefühl heben. Folglich bot die Los Angeles Times pünktlich zum Ostersonntag einen Festschmaus für Zahlen-Fans: Nirgends erfreuen sich mehr Menschen eines Mikrowellenherdes als in den USA. Auch beim Kauf von Videorecordern und Anrufbeantwortern verweisen die Amerikaner die Japaner auf den zweiten Platz. Daraus zu schließen, daß sich das seelische Wohlbefinden direkt proportional zur Verbreitung von Elektrogeräten verhält, mag etwas gewagt erscheinen. Doch selbst wenn Konsum allein nicht glücklich macht – er schlägt einem auch nicht aufs Gemüt. Womit erklärt wäre, warum die USA unter der Rubrik „Lebensglück“ hinter Nationen wie Island, Schweden, den Niederlanden oder Dänemark einen sicheren achten Platz einnehmen – vor Frankreich, Japan, der Bundesrepublik, Italien – oder gar Mexiko. Wie soll man auch in einem Land Erfüllung finden, wo ein Busfahrer in Mexiko City laut Statistik vier Stunden arbeiten muß, bis er sich das Geld für einen Big Mäc samt Pommes verdient hat? Sein Kollege in Los Angeles kann theoretisch alle zwanzig Minuten mit dem Bus zum nächsten MacDonald's-Drive-in fahren, um sich mit Fastfood zu versorgen. Das tut natürlich keiner, weil sonst kein Geld für den Mikrowellenherd übrig bliebe. Trotzdem: Angesichts dieser Lohn-Big-Mäc-Relation überrascht es den ausländischen Laien, daß die Lebenserwartung in den USA bei immerhin 76 Jahren liegt.

Dieser statistische Sonnenschein wird allerdings durch neueste soziologische Messungen getrübt, wonach sich in US-Haushalten nicht nur Elektrogeräte, sondern auch Hausstaub und Spinnweben vermehren. Amerikas Frauen putzen heutzutage pro Woche 90 Minuten weniger als vor 25 Jahren; Amerikas Männer aber nur 60 Minuten mehr. Bleiben ergo 30 Minuten Putzloch, in denen Küchenschaben und Wollmäuse (amerikanische Übersetzung: dustbunnies) ungestört ihr Territorium vergrößern. Diese Entwicklung beobachtet nicht nur die „Meister-Propper“-Industrie mit Schrecken, sondern auch die zahlreichen Kolumnistinnen konventioneller Frauenzeitschriften. In einem Land, das einst von Hygiene und Bazillenphobie besessen war, müssen sie nun umdenken – und sich auf das Lebenswichtigste beschränken: Ab und an wenigstens die Fenster putzen, rät Haushaltsfachfrau Clarkson Potter in der New York Times, weil die Menschen depressiv werden, „wenn sich nicht nach draußen sehen können“. Das wiederum könnte sofort den Lebensglück-Index senken und die USA möglicherweise aus der Liste der „Top Ten“ drängen. Der Index wackelt ohnehin, weil Amerikas Frauen laut Statistik bei durchschnittlich zwanzig Urlaubstagen im Jahr und Doppelbelastung in Beruf und Haushalt kaum noch Zeit haben, das Wort „Happiness“ zu buchstabieren. Um die Fenster müssen sich andere kümmern. In den höheren Einkommensschichten heuert man Haushaltshilfen aus Mexiko oder El Salvador an, die dann für den Big Mäc nur noch eine Stunde arbeiten müssen. In den unteren Einkommensschichten bleiben die Scheiben dreckig.