ICH BIN BLIND

■ Die GAK zeigt den Schweizer Remy Zaugg, der sich von Cezanne ein Bild machte

Die einen stellen ihre Staffelei an die Seine (ersatzweise an die Weser) und malen einfach. Die anderen fragen sich „Was ist ein Bild?“ und diskutieren und schreiben endlose Zeilen und drucken und kleben und kopieren und zerreißen, und wenn man dann nach einiger Zeit wieder hinschaut — ist auch ein Bild entstanden.

Der Schweizer Remy Zaugg ist vorsichtig: „VIELLEICHT EIN BILD“ heißt es auf seinem Bild „EINE FENSTERFRONT (EIN SELBSTBILDNIS)“. Das ist eine grundierte Leinwand, auf der nichts ist außer diesem Text. Dicht an dicht hängen solche gut einen Meter hohen Leinwände in der Galerie der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK), man könnte meinen, es seien typografische Fingerübungen oder Ergebnisse eines Siebdruck-Seminars. Andere Arbeiten sind übersät mit kleinen banalen Namen von Farben und Dingen und großen folgenreichen Begriffen wie „AUSRADIERT — VERWISCHT — GESTRICHEN“. Die Bilder von Remy Zaugg sind vorläufige Antworten auf die Frage „Was ist ein Bild?“.

Das Bild ist nicht das, was wir auf der Leinwand sehen. Das Bild ist vielleicht, was wir durch die Fensterrahmen der GAK sehen oder ahnen, „DER FLUß, DER STROM, DAS MEER“. Es gibt auch das SELBSTBILDNIS, das ist ein Bild, das wir uns selbst machen. Es gibt auch Cezanne, aber den sieht man nicht. Den hat Zaugg übertüncht, um dann das Bild neu entstehen zu lassen aus Begriffen wie „Fenster, Dach, Bäume“ und „braun, orange, grün“. Solche Bilder entstanden 1970 und wurden 1991 überdruckt mit neueren Erkenntnissen wie „Je suis aveugle“, das heißt „Ich bin blind“.

Ræemy Zaugg ist einsichtig. Ræemy Zaugg ist unbescheiden. Sein konzeptueller Ansatz, die ganze Welt der Wahrnehmungen begrifflich zu erfassen, ist niederschmetternd aussichtslos, und doch entstehen Bilder, die geheimnisvoll sind und streng, in denen sich die Zeichen zu einer Analyse von Cezanne ordnen, hinter der man den Meister vergeblich suchen wird.

Sogar darf man lachen. Dieser Zaugg auf seiner Meta-meta- Ebene — eine ganze Serie hat der 50-jährige speziell für diesen Ort gemacht, eines aber paßt immer: sein Bild vom idealen Ausstellungsort (“EINE MAUER. EIN BODEN. VIER MAUERN. EINE TÜR... ...DIE WELT“). Zaugg hat Bücher über ideale Museen geschrieben und philosophiert über den Öffentlichen Raum. Merkwürdigerweise kommt hinten was raus. So 1987 in Münster bei einem Skulpturenprojekt. Da fand er ausrangierte Bronzestatuen in einer Rumpelkammer und stellte sie an den Originalplätzen wieder auf. Es gibt eh zu viel Kunst. Münster aber hat er ein Selbstbildnis gegeben.

Bus

Remy Zaugg „Draußen“ in der GAK bis zum 9.Mai; zur Ausstellung veröffentlichte die GAK-Chefin Eva Schmidt „Vom Bild zur Welt“ über Zaugg im Öffentlichen Raum (DM 48.-). Außerdem erschien eine Sonderedition im Posterformat, ein Stadtplan, zauggmäßig bedruckt (DM 700.-)