piwik no script img

Vorschlag

■ The Goats im Loft

Ein gutes halbes Dutzend Ziegen ziehen aus, die HipHop- Welt aufzumischen. Ihr Debütalbum „Tricks of the Shade“ erschien zum Jahreswechsel – genau unpassend, um in den Jahresbesten-Polls auf dem verdienten Platz gewürdigt zu werden. Trotzdem zählt es zu den meistbeachteten Erstlingswerken der letzten Zeit. Live verzichten die Goats, ähnlich wie andere aktuelle HipHop-Acts, auf DJ und Samples – echte Musiker auf der Bühne! Bloß Baß, Gitarre, Schlagzeug und Keyboards, die aber einen vertrackten Sound basteln, von tanzbaren Party-Hits bis hin zu unterkühlt minimalistischen Laberstücken und komplizierten, bisweilen zappaesk klingenden Eskapaden. Gängige Klischees sind nicht gefragt: Die Goats bestehen aus Weißen und Schwarzen. Sie sind weder Teil der „Westküsten-Hardcore- Fraktion“, noch bauen sie auf der Soul- und Jazztradition der New Yorker HipHop-Szene auf. In ihren Credits bedanken sie sich bei einem weitgespannten Personenkreis, der vom Linguisten Noam Chomsky über die Indie-Gitarrenband Urge Overkill bis zu den HipHop-Klassikern A Tribe called Quest oder Grand Puba reicht. Wert darauf, mit dem Etikett „politically correct“ geglättet und vereinnahmt zu werden, legen sie nicht. „P.C.“ als verkaufsfördernde Masche bleibt den netten Arrested Development oder Kriss Kross überlassen.

Die Welt der Goats ist eben komplizierter. „Tricks of the Shade“ ist ein Konzeptalbum, das die Geschichte der heimatlosen Kids Chickenlittle und Hangerhead erzählt, die auf der Suche nach ihrem Uncle Sam sind. Uncle Sam ist Schießbudenbesitzer auf dem Rummelplatz, wo sie Amerika, wie die Goats es sehen, von seiner typischen Seite erleben. Halsabschneider wie an „Noriega's Coke Stand“ warten auf ihre Opfer. Die Cops, die den Kids auf den Leib rücken, sind nur darauf aus, ihre Schuhe zu polieren – Rodney King läßt grüßen. Die Weißen sind die „Georgie Bush Kids“. Die Unterscheidung fällt leicht: Die Weißen tragen die teuren Reebok-Schuhe, Hangerhead und Chickenlittle von der public school müssen sich mit Adidas in den Ecken rumdrücken.

Das alles ist „typical american“, Europäern bleibt die Message leicht verborgen, da man, ohne mit den inländischen Zuständen vertraut zu sein, schnell im dunkeln tappt. Bloß das engbedruckte Textblatt schafft Abhilfe – mit dann doch denkbar einfacher Moral: „Don't vote for fascists like Clinton, Bush, Reagan, or any republican... thank you.“ Konsequenterweise haben sie während des US-Wahlkampfes eine eigene Partei gegründet: die Goats- Partei. Bleibt zu hoffen, daß heute abend im Loft eine Abstimmung mit den Füßen stattfinden wird. Kerstin Niemann/Ulrich Hinz

Heute abend, 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen