: Schritt für Schritt in ferne Kriege
■ Jetzt sollen deutsche Soldaten auch nach Somalia, angefordert vom UN-Generalsekretär
Bonn/Genf (taz/AFP) – Nach Bosnien soll jetzt das Bürgerkriegsland Somalia zweiter Einsatzort der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebiets werden. Wenn es nach UN-Generalsekretär Butros Ghali geht, werden schon ab 1. Mai 1.500 deutsche Soldaten für die bislang weitgehend aus US-Soldaten bestehende UNO-Truppe in Somalia bereitgestellt. Butros Ghali hat die Anforderung so maßgeschneidert, daß nach Auffassung der Bonner Koalition keine vorherige Verfassungsänderung notwendig ist: Die deutsche Beteiligung soll in „friedenserhaltenden“ Maßnahmen wie etwa der Versorgung mit Hilfsgütern, dem Wiederaufbau, der Wiedereingliederung rückkehrender Flüchtlinge sowie der Hilfe beim Aufbau von politischen und Verwaltungsstrukturen bestehen – und das ausschließlich in sogenannten „rebellenfreien“ Zonen.
In der Vergangenheit sind UNO-Soldaten jedoch auch in „sicheren“ Zonen, in denen die GIs angeblich die lokalen Banden entwaffnet hatten, immer wieder beschossen worden. Nach entsprechender Unterrichtung durch die Bundesregierung wird im New Yorker Büro des UN-Generalsekretärs inzwischen davon ausgegangen, daß deutsche Soldaten nicht nur in Somalia, sondern auch überall sonst in der Welt ohne vorherige Änderung des Grundgesetzes an „friedenserhaltenden“ Maßnahmen teilnehmen können.
Im Fall Somalia kommt Butros Ghali im Prinzip auf ein Angebot der Bundesregierung vom vergangenen Dezember zurück. Gestern bestätigte das Bonner Auswärtige Amt immerhin schon, daß die Vorschläge auf dieser „Linie“ lägen. Rundheraus abgelehnt wurden die Pläne allerdings gestern schon vom FDP-Verteidigungsexperten Jürgen Koppelin. Koppelin sagte, seit dem Beschluß des Kabinetts vom 17. Dezember, der UNO für die Aktion in Somalia rund 1.500 Soldaten zur Verfügung zu stellen, habe sich die Lage dort verändert. So sei im Nordosten des Landes inzwischen keine Hilfe bei der Nahrungsmittelverteilung mehr nötig. Nun seien Aufgaben wie Straßenbau und Reparaturen gefordert. Dafür sei die Bundeswehr aber nicht ausgerüstet. Zudem müßte der „sehr eng gefaßte“ Kabinettsbeschluß vom Dezember erweitert werden. Dabei sehe er verfassungsrechtliche Probleme: „Dann kommen wir in die Nähe des Awacs-Einsatzes.“ Bei seiner Entscheidung über den Verbleib deutscher Soldaten an Bord der Awacs-Aufklärungsflugzeuge hatte das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden, ob ein solcher Einsatz durch das Grundgesetz gedeckt ist.
Das Bundeskabinett will sich in der kommenden Woche mit der Bitte der UNO um Unterstützung in Somalia befassen. Der SPD-Wehrexperte Kolbow kündigte eine Verfassungsklage seiner Partei für den Fall an, daß die Bundeswehr ohne Zustimmung des Parlaments zu einem humanitären Einsatz nach Somalia geschickt wird. Gegen einen solchen Einsatz habe die SPD keine Einwände, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Voraussetzungen seien jedoch ein formeller Waffenstillstand in Somalia und das Einverständnis aller Konfliktparteien. Falls der Bundestag mit der Mehrheit der Koalition die Entsendung von Bundeswehrsoldaten beschließen sollte, ohne daß diese Voraussetzungen erfüllt seien, werde die SPD ebenfalls nach Karlsruhe gehen. Seiten 4 und 9, Kommentar Seite 10
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