piwik no script img

Parfum zu Schweiß

■ Paco De Lucia in der Glocke, natürlich umjubelt

Üppig gefüllt war die Glocke, aber nicht ganz ausverkauft. Das war eine Überraschung, denn mit Paco De Lucia gastierte die derzeit markanteste Persönlichkeit des Flamenco vorgestern in Bremen. Seine Arbeit mit Gitarrengrößen wie Al di Meola machte genreübergreifend den Flamenco populär, und Carlos Sauras „Carmen“-Verfilmung verzauberte nicht zuletzt wegen der Gitarre des Spaniers. Vor dreißig Jahren begann die Karriere des Francisco Sanchez Gomez, dokumentiert durch über ein Dutzend meist brillianter Alben.

Beinah verloren wirkte der kleine Mann mit dem schütteren Haar auf der Bühne. Ein Moment der Konzentration, dann fegten die Finger über die Saiten. De Lucias Kompositionen sind Schwerstarbeit für den Musiker. Perlende hohe Skalen werden von vollen Akkorden abgelöst, bei aller Komplexität bleibt jedoch die simple, ansteckende Rythmik des Flamenco erhalten.

Von der Beleuchtung effektvoll in Szene gesetzt, war das begleitende Sextett bald komplett. Hände und Füße klatschen und stampfen, sind die traditionellen Schlaginstrumente des Flamenco, die Dynamik entsteht durch Präzision, nicht durch aufwendige Instrumentierung. Feinfühliger Fretless-Bass, Ukulele und Flöte komplettierten, aber erdrückten nicht die irgendwo zwischen Klassik und aktuellen Stilen angesiedelten Stücke, wagten gar manchen Ausflug in den Jazz. Innovation gepaart mit Disziplin ließ die Stücke zugleich verspielt und poinitiert wirken.

Trotzdem blieb die Musik immer nah bei ihren Ursprüngen. Bei aller notwendigen Elektronik schaffte es De Lucia, die Tradition des Flamenco als Volksmusik von der Straße zu erhalten. Ausdrucksstarker Tanz und Gesang voller Pathos blieben authentisch und wirkten im kühlen Norden so wenig aufgesetzt wie auf den heimischen Plazas.

Gegen Ende des Konzertes wurde der schwitzende Maestro zusehends gelöster und gönnte sich auch mal ein Lächeln. Als „Mi gente“ (Meine Leute) stellte er seine Mitstreiter vor, eine Geste gegenseitigen Respektes, den sich diese bei gelungenen tonalen Dialogen durchaus verdient hatten.

Nachdem sich der Duft der mittelteuren Parfüms im Saal in die Würze verwandelt hatte, die von kochendem Schweiß ausgeht, war von nordischer Kühle nichts mehr zu merken; enthusiastisch feierte man die Künstler.

Die Unsitte des dumpf-teutonischen Mitklatschens, in dem die stolz-iberischen Rhythmen so leicht untergehen, konnte der Qualität des Konzertes keinen Abbruch tun. Daß bei der letzten Zugabe einiges an Saiten riß, störte keinen mehr, und Paco De Lucia wurde nach zweieinhalb Stunden mit stehenden Ovationen verabschiedet. L.R.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen