Rühe schickt Bundeswehr in die Wüste

■ Auswärtiges Amt prüft den UN-Einsatz – für den Verteidigungsminister ist schon alles klar / Streit in der SPD

Bonn (taz) – Während das Außenministerium noch fleißig prüft, hat Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) offenbar schon feste Vorstellungen über den Einsatz der Bundeswehr in Somalia. Aus dem fernen Moskau kündigte Rühe an, daß ein Transport- und Versorgungsbataillon der Bundeswehr Anfang Juni nach Somalia fliegen werde, das wiederum von „bewaffneten Infanteristen der Bundeswehr“ geschützt werden soll. Dabei handle es sich ausschließlich um eine „Selbstschutzkomponente“.

Die deutschen Soldaten sollen Brücken wiederherstellen und für die Wasserversorgung der Bevölkerung sorgen. Es handle sich ausschließlich um eine friedenserhaltende Maßnahme. Das Bataillon werde nur in „befriedeten Zonen“ eingesetzt und wird aller Voraussicht nach 1.500 Mann umfassen. Schwierigkeiten in der Koalition erwartet Rühe nicht, wohl aber Einwände der SPD. UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali hatte die Bundesregierung am Dienstag aufgefordert, sich an der am 1. Mai beginnenden UN-Aktion UNOSOM II mit 1.500 Bundeswehrsoldaten zu beteiligen.

Im Außenministerium – Amtschef Klaus Kinkel weilte gestern in Tokio – hat am Mittwoch eine erste Runde von Beamten aus verschiedenen Ministerien, inklusive Verteidigung, das Ansinnen beraten. „Der Prüfungsprozeß ist noch nicht beendet“, betonte ein Sprecher des Ministeriums, der zu den Rühe-Plänen „überhaupt nichts sagen“ mochte. Am Freitag wird die ressortübergreifende Runde wieder zusammentreffen, ob das Kabinett in der nächsten Woche entscheidet, bleibt weiter offen. „Mehr oder weniger überrascht“ zeigte sich auch das Verteidigungsministerium über die Äußerungen seines abwesenden Chefs. Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Detlef Kleinert, sagte hingegen in einem Interview mit dem Privatsender „radioropa“ auf die Frage, ob die FDP sich übergangen fühle: „Ich gehe davon aus, daß Herr Rühe sehr wohl auf den dafür vorgesehenen Kanälen mit unseren zuständigen Kollegen gesprochen hat.“

Kleinert befürwortete den Bundeswehreinsatz in Somalia. Sein Fraktionskollege Jürgen Koppelin warnte gestern erneut davor: die Bundeswehr sei für solche Einsätze nicht ausgerüstet. Der FDP- Wehrexperte hatte auch verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Weiterer Einspruch kam aus den Reihen der SPD. Ohne vorherige Verfassungsänderung, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer Günter Verheugen, müsse die SPD den Einsatz ablehnen. Die Bereitschaft der Bundesregierunng, deutsche Soldaten nach Somalia zu schicken, sei ein Schritt auf dem Weg zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr. Blauhelm-Einsätze seien für die SPD akzeptabel, äußerte der außenpolitische Fraktionssprecher Karsten Voigt, aber erst nach einer Verfassungsänderung.

Für einen Verfassungskompromiß mit der Koalition sieht Voigt allerdings derzeit „keine Chancen“. Die Haltung der CDU sei nach dem Awacs-Urteil des Verfassungsgerichts „militanter“ geworden. Als „hirnrissig“ wies er die Forderung des CDU-Wehrexperten Peter Kurt Würzbach zurück, unter Beteilung der Bundeswehr serbische Stellungen zu bombardieren. Das sei völkerrechtswidrig.

Unter den Stimmen, die nach dem Karlsruher Awacs-Beschluß nach mehr Einsatz rufen, befindet sich seit gestern auch die des sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Horst Niggemeier. Er rief die SPD dazu auf, eine Verfassungslage herbeizuführen, die es erlaube, an allen militärischen Einsätzen der UNO teilzunehmen. Die Überwachung des Flugverbots alleine beende das Morden auf dem Balkan nicht.

Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhard Zurheide sprach sich für ein Eingreifen der deutschen Luftwaffe auf dem Balkan aus. Zurheide geht im Gegensatz zur Auffassung der FDP davon aus, daß das Grundgesetz solche Maßnahmen abdecke. Da ein „Restrisiko“ bleibe, wäre eine verfassungsrechtliche Klarstellung wünschenswert. Der Vorsitzende der Jungen Union, Hermann Gröhe, sprach sich für „begrenzte militärische Schläge aus der Luft“ aus, an denen sich auch deutsche Soldaten beteiligen sollten. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk bezeichnete die Teilnahme an der Awacs-Überwachung als „Zwischenetappe“. Die Deutschen müßten uneingeschränkt an allen Nato-Maßnahmen im UNO-Auftrag teilnehmen. Tissy Bruns

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