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Boris Jelzin im Wahlkampf

■ Vorbereitungen für des Referendum am 25. April laufen auf Hochtouren / Rußlands Präsident will Abstimmungsbestimmungen per Dekret verändern

Moskau (AFP) – Boris Jelzin hat eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um seine Amtsautorität vor dem entscheidenden Referendum über seine Reformpolitik am 25. April zu festigen: So kündigte Jelzin an, daß er die vom 9. Volksdeputierten-Kongreß beschlossene Art der Auswertung dieses Referendums per Dekret außer Kraft setzen wolle. Ferner ernannte er den konservativen Politiker Oleg Lobow, der ihn während des fehlgeschlagenen Putsches vom August 1991 unterstüzt hatte, zum Ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten. Dagegen wurden Vizepräsident Alexander Ruzkoi, der im März die von Jelzin geplante Einführung einer Präsidialverwaltung kritisiert hatte, einige seiner bisherigen Privilegien – Dienst-Mercedes und Leibarzt – beschnitten. Auch soll Ruzkoi die Zuständigkeit für die Landwirtschaftspolitik verlieren, deren Privatisierung er gegen Jelzins Forderungen ablehnte.

Jelzins angekündigtes Dekret soll insbesondere verhindern, daß die Auswertung des Referendums nach der Zahl der Stimmberechtigten erfolgt. Allgemein wird bei der Volksabstimmung eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet, so daß eine absolute Mehrheit der Stimmberechtigten kaum zu erzielen sein dürfte. Jelzins Ziel ist die Auswertung nach der Zahl der abgegebenen Stimmen. Der Kongreß hatte im März hingegen beschlossen, daß die vier Fragen des Referendums nur dann als mit „Ja“ beantwortet gelten, wenn mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten für sie stimmt. Jelzin sagte, der Beschluß des Kongresses stehe in Widerspruch zur Verfassung und zum Gesetz über Volksentscheide. Das Verfassungsgericht soll sich am 20. April mit der Klage einer Gruppe von Abgeordneten gegen den Beschluß des Kongresses befassen. Jelzin sagte, er werde das von ihm angekündigte Dekret erst „nach dem 20. April“ unterzeichnen. Das Referendum sei im übrigen lediglich eine „notwendige Etappe“ auf dem Weg zur Verabschiedung einer neuen Verfassung und zu Neuwahlen.

Der 56jährige Lobow war Ende 1991 bereits einmal Erster stellvertretender Ministerpräsident in der Regierung von Ministerpräsident Iwan Silajew. Seither war er Vorsitzender eines Expertengremiums des russischen Präsidenten. Ende der 80er Jahre war Lobow stellvertretender Vorsitzender der KP Armeniens. Während des fehlgeschlagenen Putschversuches gegen den früheren sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow hatte Lobow jedoch die Reformer um Jelzin unterstützt.

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