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Schluß mit medizinischen Kreuzworträtseln

■ Erst Gesundheitsreform, nun Studienreform: Multiple-choice-Tests sollen in der Medizin abgeschafft werden / Neue Approbationsordnung läßt auf sich warten

Berlin (taz) – Nach dem Gesundheitsstrukturgesetz stehen die Halbgötter in Weiß vor der nächsten Reform: Ärzte sollen künftig nach einem neuen Lehrplan ausgebildet werden. Mehr Kontakt zum Patienten und weniger Reglementierungen im Studium empfiehlt eine „Sachverständigengruppe zu Fragen der Neuordnung des Medizin-Studiums“. Sie legte, wie der taz jetzt bekannt wurde, Gesundheitsminister Horst Seehofer vor zwei Wochen in Bonn ihren Abschlußbericht vor.

Die Sachverständigen schlagen mehr Praxisbezug für die beiden Phasen vor, in denen das Medizinstudium künftig absolviert werden könnte. In Praktika sollen die angehenden MedizinerInnen bereits zu Beginn ihres Studiums ans Krankenbett geschickt werden. Derzeit tun sie das erst, nachdem man ihnen in der sogenannten Vorklinik die medizinischen Grundlagenfächer mit reichlich Theorie verabreicht hat.

Die seit 1989 tagende Gruppe Sachverständiger verzichtet weitgehend auf eine enge Festlegung der Fächer, die obligatorisch studiert werden müssen. Vor allem aber beseitigt sie die Multiple-choice-Tests, in denen das Wissen der Studierenden noch immer abgeprüft wird. Statt der medizinischen Kreuzworträtsel soll die Approbationsordnung – die gesetzliche Grundlage des Medizinstudiums – nur noch zwei Prüfungen vorschreiben. Diese sollten dann auch mündliche und praktische Teile enthalten.

Der weitere Gang des Abschlußberichts der Sachverständigen und einer änderungsbedürftigen Approbationsordnung ist höchst ungewiß. Das Gesundheitsministerium sieht den Bericht offenbar als geheime Kommandosache an. Es sei ein internes Papier, das nun an die Länder gegeben werde, teilte eine Sprecherin der taz mit. Mit einer Änderung der Approbationsordnung sei „voraussichtlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode“ zu rechnen, sagte Marita Völker-Albert.

Ohne eine neue Approbationsordnung werden aber die bereits bestehenden medizinischen Reformstudiengänge wie der an der Privatuniversität Witten/Herdecke behindert. Das Berliner Modell, eine von StudentInnen nach den Uniprotesten des Jahres 88/89 konzipierte Medizinerausbildung an der Universitätsklinik Rudolf Virchow, hat seinen Start sogar verschoben – ins Jahr 1994.

Der Dekan der Virchow-Klinik, Dieter Scheffner, sprach sich bei einer Pressekonferenz für eine Experimentierklausel aus. Sie solle die Approbationsordnung für Reformstudiengänge öffnen. Sechzig Studierende will das Berliner Modell ins neue Medizinstudium aufnehmen.

Statt der bislang in der Approbationsordnung vorgeschriebenen 40 Fächer organisiert das Berliner Modell das Studium nach Oberthemen. Sie heißen „Körper“, „Entwicklung“ oder „Zwischen Krankheit und Gesundheit“ und sollen nach dem Prinzip des „problemorientierten Lernens“ vermittelt werden.

Auch der Wissenschaftsrat hält das Fächerprinzip „für den Studienaufbau in Zukunft nicht mehr für maßgebend“ und schlägt stattdessen „übergeordnete Strukturprinzipien“ vor. In seinen 1992 verabschiedeten Leitlinien empfahl er eine grundlegende Neuorientierung des Medizinstudiums. Der Berliner Ärztekammerpräsident Ellis Huber befürchtete, daß nach den Neuwahlen 1994 im bezug auf eine Studienreform in der Medizin „wieder völlig neu gezählt wird“. Den jetzt vorgelegten Abschlußbericht der Sachverständigen bezeichnete er als „an der unteren Grenze dessen, was an Reform nötig ist“. Christian Füller

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