: Statt Rüstung „relevante Märkte“
■ Bremer Autoren schrieben Buch über „Konversion“ — Umsteuern auf zivile Produkte
Bremens Wirtschaftskraft ist in hohem Maße abhängig von Rüstungsproduktion. Dank zurückgehender Etats für Rüstungsgüter ist die Umstellung auf zivile Produkte („Konversion“) heute ein Teil der regionalen Wirtschafts- und Strukturpolitik und im Interesse einer zukunftsorientierten Ökonomie. „Praktiker aus Politik und Wirtschaft, Arbeitnehmer und Unternehmer, Wissenschaft und Verwaltung“, so freut sich Herausgeber Jürgen Hartwig, haben ihre Erfahrungen und Initiativen im Bereich Rüstungskonversion in einem neuen Buch aufgeschrieben: Rüstungskonversionspolitik-Ein Länderbericht ist der Titel, 300 Seiten dick.
Bremen, das bis heute zu den Zentren der wehrtechnischen Industrie zählt, steht im Zentrum der Betrachtungen. Den zentralen Beitrag dazu hat Wolfram Elsner, Leiter des Bremer Ausschusses für Wirtschaftsforschung (BAW), geschrieben. Konversion sei „kein Automatismus“, schreibt er, wolle sie Erfolg haben, müsse sie sich auf Unternehmensebene an den relevanten Märkten orientieren“.
Welche anderen Märkte das sind, kann man Elsners Mitautoren entnehmen. Stellvertretend für die „neue“ Linie steht Norbert Räbiger, Leiter des Instituts für Umweltverfahrenstechnik an der Bremer Uni. Er setzt voll auf den Umweltschutz. Das Geldvolumen dafür steige „in den nächsten Jahren“ von rund 460 auf rund 860 Milliarden Mark. Räbiger rechnet mit jährlichen Steigerungsraten von sechs Prozent. Voraussetzung zur Umsetzung aller Konversionsstrategien indes sei jedoch, daß die Politik diesen Bereich entsprechend berücksichtige, zum Beispiel in der Finanzplanung und entsprechender Gesetzgebung. Das machen sowohl SPD-Arbeitskreis und die Buchautoren deutlich.
Rüstungskonversion jedoch hat auch weiterhin einen sicherheits- und verteidigungspolitischen Aspekt. Darüber lassen sich unter anderem Finanzsenator Volker Kröning und die beiden Friedensforscher Otfried Nassauer und Lutz Unterseher aus. Die politischen Voraussetzungen, wirtschaftlichen Folgen und Forschungsergebnisse anhand des Landes Brandenburg macht zum Beispiel Helmut Domke, Bevollmächtigter des brandesburgischen Ministerpräsidenten für die Westgruppe der GUS-Streitkräfte und Konversion, deutlich. Darüber hinaus beleuchtet der Friedensforscher Horst Fischer die völkerrechtliche Seite der Rüstungskonversion.
Viel zu kurz jedoch kommen die „Praktiker“ aus der Wirtschaft. In dem Buch findet sich nur ein Beitrag vom Vorsitzenden der Geschäftsführung bei Atlas Elektronik, Manfred Karl Friedrich Triebold. Die Gewerkschaften sind mit je zwei Beiträgen des früheren Bremer DGB-Vorsitzenden Siegfried Schmidt und Jörg Fischer, Betriebsratsmitglied bei STN- Bremen, vertreten. Das ist Schade, zumal „die Initialzündung zur Konversion“ aus der Wirtschaft kommen müsse, wie Elsner am Freitagabend bei der Vorstellung des Buches sagte. Ulf Buschmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen