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■ Olympia: Hetze blieb ohne ErfolgFalsch kalkuliert

Nahezu zehntausend Menschen haben sich trotz des Trommelfeuers des Senats und der Springer-Presse nicht davon abhalten lassen, den Abgesandten des IOC auf der Straße ihren Protest gegen Olympia in Berlin zu zeigen – bis Redaktionsschluß überwiegend friedlich. Die Olympia-Gegner haben sich nicht spalten lassen. Geplatzt ist damit vielmehr die Diffamierung einer Bewegung, die eine Vielzahl von guten Argumenten gegen Olympia auf ihrer Seite weiß. Gerade die hektische Nervosität des Senats hat gezeigt, wie gut der Regierende Bürgermeister seine Versäumnisse kennt. Der Besuch des IOC offenbart nun, wie schlecht der Senat selbst in seiner eigenen Logik auf die Prüfung vorbereitet ist. Jetzt zeigen sich die Kehrseiten des administrativen Vorgehens, mit dem das Projekt Olympia 2000 auf den Weg gebracht wurde. Man legte keinen Wert auf den demokratischen Diskurs und die Überzeugung der Bevölkerung. Diese Ignoranz rächt sich nun und beflügelt zugleich die Front der Olympia-Gegner. Die Diffamierungskampagne des Senats ist auch gespeist von der Wut über die eigene politische Dummheit. Auch für die von ihm so beklagte gewalttätige Eskalation des Protests ist der Senat selbst verantwortlich. Er hat von vornherein klargemacht, daß er nicht gewillt ist, sich Kritik anzuhören. Weggewischt wurden die Argumente, Olympia sei eine Überforderung für eine Stadt, die genug zu tun hat mit der Aufgabe, auf sozial- und stadtverträgliche Weise die Bundesregierung unterzubringen. Geantwortet wurde lediglich mit gutachterlichen Taschenspielertricks, die satte Gewinne versprechen, wo tiefe Defizite drohen. Angesichts solcher Ignoranz von oben ist es deshalb auch nicht verwunderlich, wenn Menschen auf den Gedanken kommen, nur die gewalttätige Aktion könne Erfolg bringen. Das demagogische Strickmuster ist zwar nicht unbekannt; perfide bleibt es trotzdem, wie der Senat nun versucht hat, die Bewegung zu spalten und friedliche Olympia-Gegner für die Bombenanschläge von durchgeknallten Chaoten verantwortlich zu machen. Überdeutlich ist geworden, daß es diesem Senat an Gelassenheit fehlt – und jenen Senatsmitgliedern, die persönlich längst gegen Olympia eingestellt sind, der Mut, dies auch öffentlich kundzutun. Statt dessen wird die Polizei von der Politik in einen unsinnigen Lappenkrieg befohlen, der jeden Tag absurder wird. Wie man mit der Opposition umgehen kann, demonstriert nun ausgerechnet die IOC-Kommission. Das Gespräch des IOC mit den Olympia-Gegnern kommt deshalb einer Ohrfeige für den Senat gleich, dem außer Kriminalisierung zu dieser Frage nichts eingefallen ist. Gerade mit seiner harten Haltung hat sich der Senat deshalb beim IOC einen Bärendienst geleistet. Gerd Nowakowski

Siehe auch Seiten 22 und 28

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