■ Seit 18 Tagen schon riegelt Israel die besetzten Gebiete ab
: Lebensbedrohlicher Kolonialismus

Die Spirale der Gewalt in den besetzten Gebieten und in Israel kam nicht in einem politischen und sozialen Vakuum zustande. Sie ist das Resultat von 25 Jahren israelischer Unterdrückung, die eine unerträgliche Situation für die Palästinenser schuf, welche sich unter der Regierung Rabin nur verschlimmerte.

Seit 18 Tagen nun schon sind die besetzte Westbank und der Gaza-Streifen auf unbestimmte Zeit abgeriegelt. Da nur wenige „Sonderpassierscheine“ erteilt werden, ist das Ergebnis dieser Abriegelung, die den Tatbestand der Kollektivstrafe erfüllt, ein ungeheurer ökonomischer Druck, der sich auf alle Bereiche des Lebens erstreckt: auf die Krankenversorgung, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten, den Zugang zu Arbeit und Bildung und den Stätten des Gebets.

In diesen 18 Tagen wurden sechs Palästinenser durch Soldaten oder Siedler getötet, darunter ein 13 Jahre altes Mädchen. In Gaza fanden Razzien statt, wobei Soldaten Hauseinrichtungen demolierten und Nahrungsmittel vernichteten. Die UNWRA, die ein Viertel der Versorgung der Bevölkerung bestreitet, ist nach eigenen Aussagen „paralysiert“, weil drei Viertel ihrer Mitarbeiter aus der Westbank ihre Büros in Ostjerusalem nicht erreichen können.

Die koloniale Politik Israels gegenüber den besetzten Gebieten schuf eine Interdependenz der Ökonomien, die der Wirtschaft der Palästinenser allmählich grundlegende Veraussetzungen entzog. Ihnen gleichzeitig Bewegungsfreiheit und Lebensunterhalt zu nehmen, wird lebensbedrohlich für sie.

Diese Maßnahmen sind eine klare Verletzung der internationalen Garantien für die grundlegenden Menschenrechte, wie sie in der Magna Charta unserer Zeit, der Universellen Erklärung der Menschenrechte der UNO von 1948, der IV. Genfer Konvention von 1949 festgelegt wurden.

Das Abriegeln der besetzten Gebiete wurden von der israelischen offiziellen Propaganda heuchlerisch als ein Schritt hin zur palästinensischen „Unabhängkeit“ beschrieben. Realiter ist es der Versuch, die Palästinenser so zu strangulieren, daß sie zur Annahme von für sie unannehmbaren „Friedensvorschlägen“ Rabins gezwungen werden können.

Die buchstäbliche Gefangennahme von fast zwei Millionen Menschen wird uns keine Sicherheit bringen. Sie wird vielmehr die Verzweiflung der Palästinenser vergrößern, die Extremisten unter ihnen stärken. Der Weg zu einem wahren und gerechten Frieden im letzten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts kann nicht durch Apartheid gewährleistet werden und er führt auch nicht durch Homelands. Felicia Langer

Israelische Rechtsanwältin, verteidigte 23 Jahre lang Palästinenserinnen und Palästinenser, lebt heute in Tübingen.