: So müde, so traurig, so deprimiert - Hausfrau
■ „Feldforschung: Hausfrauenkunst die 7. — Gaby Ahnert und Beate Wolfner mit fotografischen „Selbstinszenierungen“
Sie ist noch so jung, diese deprimierte Frau in Kittel und Kopftuch, die mit leerem Blick müde auf ihrem schofeligen Sofa sitzt, vor dem passenden Couchtisch, in einem todlangweilig sauberen 50er Jahre Zimmer der einfachen Sorte. Es schaudert einen schon dann, wenn man nur einen winzigen Moment erwägt, an ihrer Stelle zu sein. Die Fotografin Gaby Ahnert aber ist nicht davor zurückgeschreckt, ihre Fotoserie „Selbstinszenierungen“ zu nennen, in diesem doppelten Sinne, daß sie nicht nur die Protagonistin ihrer Fotogeschichten abgibt, sondern auch sagt: „Ich kenne die Angst, so zu enden. Sozialhilfe, Osterholz- Tenever, 13. Stock, springste heute, springste morgen.“
Wie zur vorwegnehmenden Selbstverteidigung ist Gaby Ahnert in die Rolle trauriger Hausfrauen geschlüpft. Eine hängt zu Tode gelangweilt im Sessel, den Blick vom laufenden Fernseher abgewandt, auf dem Tisch die Mineralwasserflasche (unterm Tisch die Thermoskanne mit Rum), wartend auf nichts. Eine andere steht in einer überfüllten Küche, starrt auf das Waschbecken, von dessen Wasserhan trübe ein abgenutzter Scheuerlappen hängt. Wieder eine kommt in schlampiger Kleidung in ihr enges Wohnzimmer, mit einem entsetzten Gesichtsausdruck, als wäre etwas passiert. Ist aber nicht.
Tröstlich an diesen Bildern ist höchstens, daß sie alle in einer fernen Zeit zu spielen scheinen — wenn denn das Hausfrauendasein unserer alten Mütter fern ist...
Gaby Ahnert orientiert sich mit ihren „Selbstinszenierungen“ explizit an der amerikanischen Fotografin Cindy Sherman, deren arangierte Situationen allerdings bis ins letzte ausgeklügelt und eingerichtet sind. „Ich habe“, so Gaby, „ältere Nachbarinnen besucht und meine Pflegemutter, ich hab alles so gelassen wie es war, mir Sachen von ihnen geliehen, die Strickjacke, das Nachthemd - und dann los.“ — Zu sehen ist diese in ihrer genauen Einfühlung beinahe zynische Fotoserie als 7. Folge der Ausstellungsreihe: „Feldforschung: Hausfrauenkunst“ in der Galerie im Turm im Schlachthof (neben weiteren, lustigen Fotos von Gaby Ahnert).
Auch Beate Wolfner zeigt eine Serie von „Selbstinszenierungen“. Toternst auch sie, fotografiert sie sich mal als Hausmütterchen, mal als Hure, als Intellektuelle und als Braut, als hoffnungslos Sinnlichkeitsgierige und als souveräne, erwachsene Frau, in der man am ehesten ein Selbstportrait der Fotografin zu erkennen meint. Es sind mutige Blicke auf die eigene Person, ohne Angst bis an die Grenze eines großen Erschreckens über die anderen Möglichkeiten seiner selbst zu gehen. — Vielleicht deshalb zeigt Beate Wolfner zugleich ein Fotospiel mit der, wie sie durchaus ernsthaft findet: „Idealen Frau“, aufgeblasene Filmfotografien von Romy Schneider „Sissy“, die verzerrt und auseinandergeschnitten und zu Collagen verarbeitet sind und boshaft das Motiv der stillenden Mutter zerreißen (Romy gibt einem Kitzlein die Flasche). Die Ausstellung hat ein Motto: „Humor: zu wissen, daß es, nachdem man tapfer gewesen sit, alles nicht so schlimm ist.“ (Tucholsky). Na gut. Cornelia Kurth
Noch bis zum 9.5. in der Galerie im turm, Schlachthof
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen