: Wilde Flöhe und Jazz für Kids
■ Anna Jänichen macht das Schlachthof-Kindertheaterprogramm, immer wieder sonntags
„Ich liebe es, mit den Kindern zu arbeiten, da geht mir das Herz auf“, sagt Anna Jänichen. Seit acht Monaten ist sie zuständig für das Kindertheater im Schlachthof, organisiert für jeden Sonntag eine Kinderveranstaltung und führt die Kinder-Theatergruppe „Die wilden Flöhe“.
Dabei sei sie eigentlich „ins kalte Wasser gesprungen“, als sie die Arbeit als Dramaturgin für das Kindertheater im Schlachthof angenommen habe. Anna Jänichen hat Psychologie studiert und anschließend in der Schweiz freiberuflich Theaterstücke für Erwachsene geschrieben. Vor zwei Jahren ist sie dann nach Bremen zurückgekehrt und mußte sich neu orientieren.
Hoch oben im Schlachthof- Turm sitzt sie nun in ihrem Büro. Die Arbeit mit Kindern kannte sie ja schon von früher her, sagt sie, als sie Kinderfreizeiten durchgeführt und eine Kinderbetreuung an der Uni organisiert hat. „Ich selbst habe nur einen Sohn, der ist mittlerweile siebzehn.“
Den groben Rahmen für das Kinderprogramm des Schlachthofs hat Anna Jänichen vorgefunden: Einmal pro Woche gastieren Theatergruppen aus Bremen und dem Umland, machen Musik und Clownereien, zaubern, spielen Fantastisches und Märchen. Vor ein paar Wochen haben sie „Großmutters Geburtstag“ gefeiert, letzten Sonntag waren „Die Krähen von Birnblüte“ eingeflogen und demnächst gibt's „Jazz für Kids“.
Anna Jänichen will, daß alle eingeladenen Gruppen im Schlachthof solides Kindertheater bieten und „nicht an der Nase der Kinder vorbeispielen“. Beharrlich hat sie sich mit dem Begriff von Kinderkultur auseinandergesetzt, sie reist auf eigene Kosten zu Theaterfestivals und schaut sich die Clowns und Kasperles genau an. Die sollen die Gefühle der Kinder ansprechen können und sie zum Mit- oder Nachmachen animieren.
„Die tun das gerne, strampeln und schreien schon mal; sie können aber nichts mit einem Stück anfangen, das sie langweilt oder andererseits überfordert.“ Deshalb sollten Altersbegrenzungen niemals ignoriert werden. Auch nicht durch die Eltern oder Großeltern, die zum Großteil mit ins Theater kommen.
Gespielt wird auf dem „Magazinboden“, einem urigen Raum mit Holzgebälk. Erst letzten Sonntag war die Vorstellung mit über 100 ZuschauerInnen ausverkauft; über mangelnde Resonanz mag sich Anna Jänichen nicht beklagen, wohl dagegen über das Unverständnis von seiten ihrer Zuschußgeber beim Senat. Kürzungen stehen ins Haus: Für das Kinderprogramm im Schlachthof soll es im vierten Quartal dieses Jahr kein Geld mehr geben. Das heißt, daß dann auch kein Theater mehr stattfinden kann. Und Anna Jänichens Vertrag läuft vorerst im August 93 aus. Mit ihrem ersatzlosen Weggang würde deshalb glatt die Hälfte der Bremer Kindertheaterveranstaltungen einfach so wegfallen.
Auch die Schlachthof-Kindergruppe „Die wilden Flöhe“ hätte dann keine Überlebenschance mehr. Sie machen selbst Theater und werden Anfang Mai ihr Stück „Eine Reise um die Welt“ aufführen. Es ist in der Tat ihr eigenes Stück, denn Anna Jänichen hat den sechs- bis zwölfjährigen Kindern nur die Idee dazu vorzugeben. Vier von ihnen sind aus Bremen, die anderen sind fast alle Mischlingskinder mit Eltern aus Japan, USA/ Kanada, Bolivien, Chile, Türkei. Da reisen sie nun überall hin — und Anna Jänichen läßt sie all die Klischees, die dabei auftauchen, auch spielen: „Da gibt's eben in Afrika noch Menschenfresser und in Asien muß ein Drache her.“ Jetzt endlich lacht sie herzhaft. Silvia Plahl
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