: Bremerhavener jagen jedem Fischschwanz hinterher
■ Der Hochseefischerei geht's schlecht / Russischer Kabeljau am billigsten / Bremerhavener Pötte im Zwangsurlaub
Kalt ist es geworden in den Gewässern vor Grönlands Küste. Die Polkappen schmelzen. Knapp über dem Gefrierpunkt liegt die Wassertemperatur — zu kalt für den Kabeljau. Er hat sich verdrückt in die Barentsee nördlich von Norwegen. Dorthin, wo deutsche Fischer nicht fischen dürfen. Immer öfter bleiben die zwei Bremerhavener Euro- Trawler und die vier Cuxhavener Frischfischeinheiten im Hafen liegen. Nur gelegentlich noch jagen sie vor Grönland jeder noch so kleinen Fischflosse hinterher. Verkaufen lassen sich die Fischchen natürlich kaum.
Doch genauso wie die leeren Fischgründe machen den deutschen Fischern die russischen Fischer zu schaffen: Die fangen in der Barentsee all den vor der Kälte geflohenen Kabeljau ein. „Die fischen dort das Meer leer“, schimpfen die hiesigen Fischer. Die Russen landen ihren Fang in Norwegen und Dänemark an und fahren dann ihn per LKW nach Deutschland. „Und dann verkaufen sie ihn hier zu Dumping-Preisen“ — die deutschen Fischfänger sehen sich bedroht.
Zusammen mit den mecklenburgischen fordern die norddeutschen Fischer Schutz. Hartnäckig stehen sie seit März auf der Matte des Ernährungsministers in Bonn, für ausreichende Stillegungsprämien, eine Erhöhung der Mindestpreise, am liebsten höhere Zölle.
Bislang jedoch haben die deutschen Fischer damit beim Ernährungsminister auf Granit gebissen. Er hat nämlich auch noch andere Interessen zu vertreten. Schließlich werden 80 Prozent des hier verzehrten Fisches importiert. Da will man die ausländischen Fischer nicht mit Schutzzöllen verprellen.
Außerdem will Bonn die norddeutsche Fischindustrie mit preisgünstiger Ware versorgen. Etwa 9000 Menschen sind in Bremerhaven und Cuxhaven damit beschäftigt, Fische zu engräten, einzufrieren, in Döschen zu rollen, Sauce dazu zu gießen ...
Doch der oberste Fischer-Vertreter, Manfred Koch vom Verband der deutschen Hochseefischer, hat Bonn noch nicht aufgegeben: Die Front bröckele, weiß er. Gleich am Donnerstag will er sich wieder auf den Weg in die Regierungsstadt machen.
Über der neuen Bedrohung scheinen Cuxhaven und Bremerhaven ihre Rivalitäten fast vergessen zu haben. Dabei sind erst wenige Monate vergangen, daß die Cuxhavener die isländischen Schiffe, die traditionell in Bremerhaven anlanden, in die Elbemündung gelockt haben. Denn auch Cuxhaven hat eine Fischauktion. Wenn auch nur eine kleine. Ministerpräsident Schröder will bis Jahresende per Gutachten die Zukunftschancen der beiden Standorte prüfen lassen. „Rausgeschmissenes Geld“, findet Jürgen Adelmann, der beim Senat für die Fischwirtschaft Zuständige. Wahrscheinlich brauche Schröder ein Gutachten, um eine politische Entscheidung verkaufen zu können. Wirtschaftlich sei es jedenfalls nicht, so dicht zwei Fischwirtschafts-Standorte zu haben. Außerdem lande Bremerhaven 40.000 Tonnen Frischfisch jährlich an, Cuxhaven dagegen nur 12.000. Er sieht eine Lösungsmöglichkeit für den zusammengebrochenen europäsichen Fischmarkt aber vor allem darin, die Fischfangflotte weiter zu verringern. „Zu viel Schiffe für zu wenig Fische.“ Bremerhaven hat seit 88 schon erheblich reduziert und vor allem auf die Fischindustrie mit importierten Fischen gesetzt.
Christine Holch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen