: SPD will Baustopp für die Neue Wache
■ Nach Beginn der Bauarbeiten fordert die SPD, daß der Umbau zu der Zentralen Gedenkstätte Deutschlands zuvor vom Parlament entschieden werden muß
Knapp drei Monate nachdem das Bundeskabinett entschied, die von Schinkel entworfene Neue Wache in eine „Zentrale Gedenkstätte für die Bundesrepublik Deutschlands“ umzugestalten, protestiert jetzt die SPD gegen diesen Beschluß. Die Bundesregierung solle den Umbau sofort stoppen, verlangen die Bundestagsabgeordneten Siegfried Vergin und Peter Conradi im Namen der Fraktion. Der Baubeginn sei eine Mißachtung des Parlaments; der Bundestag sei niemals über die Umbaupläne informiert worden. „Die Zentrale Gedenkstätte steht beispielhaft für das politische Selbstverständis unserers Volkes“, erklärten sie. „Sie ist keine Privatangelegenheit des Bundeskanzlers, sondern des ganzen Volkes und damit vor allem der Volksvertretung.“ Einen entsprechenden Antrag an den Bundestag hat die SPD eingereicht, in der nächsten Woche soll darüber debattiert werden. Siegfried Vergin, Gedenkstättenexperte der Fraktion, protestierte ebenfalls, daß in der von Tessenow 1931 ausgestalten Neuen Wache eine überdimensionierte Darstellung der Pieta von Käthe Kollwitz aufgestellt wird. Auch dies hatte Bundeskanzler Kohl Ende Januar alleine entschieden. Die Vergrößerung des nur 38 Zentimeter kleinen Orginals sei eine „künstliche Verfälschung“. Die SPD fordert, genau wie zuvor der Bund Deutscher Architekten und eine Vielzahl von Denkmalpflegern und Künstlern eine öffentliche Ausschreibung. Unzufrieden ist die Partei auch mit der vom Bundeskabinett beschlossenen universalen Widmung „Den Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft“. Die Opfergruppen des nationalsozialistischen Terrors müßten einzeln benannt werden.
In die Debatte eingemischt hat sich auch der renommierte Historiker Reinhart Koselleck. In einem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Aufsatz plädierte er für Tessenows nie verwirklichten radikalen Nachkriegsentwurf mit einem großen Loch im Boden. Die Intimplastik von Käthe Kollwitz eigne sich nicht für die „Ereigniskatarakten“ seit 1933. „Das maschinell und fabrikmäßig betriebene Töten hat einen Tod hervorgebracht, der jede symbolische oder realistische Figuration einer Pieta hinter sich läßt.“ Ähnliche Argumente für Tessenows Holhlform hatte zuvor auch Walter Jens angeführt.
Ungeachtet des bundesweit geführten Streits über die Zentrale Gedenkstätte haben die Bauarbeiten bereits in der vergangenen Woche begonnen. Auch die Replik der Kollwitz-Bronze ist in Arbeit. Der Haushaltsausschuß des Bundestages hatte schon im Februar 1,4 Millionen Mark für den Umbau bewilligt. Bis zum Volkstrauertag am 14. November soll die Neue Wache umgebaut sein. aku
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