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Statt Abenteuer Horrortrip?

■ Veranstalter von Abenteuerreisen für Kinder unter Vorwurf der Mißhandlung

Kreuzberg. „Wir wehren uns gegen eine Pressedarstellung, die Kinder mißbraucht, und sie für einen Sensationsbericht benutzt.“ Frank Kiepert, Mitarbeiter der „Story-Dealer A.G.“ steht den Verdächtigungen gegen den Veranstalter von alternativen Jugendreisen nach einem Fernsehbeitrag wegen Kindermißhandlung noch immer etwas hilflos gegenüber. Das Polit-Magazin „Akut“ hatte den Jugendarbeitern vorgeworfen, Kinder seien zu neunstündigen Fußmärschen ohne Verpflegung gezwungen worden, eine Junge habe gar 13 Kilo abgenommen. Gestern versuchten die Mitarbeiter, die Vorwürfe richtigzustellen.

So sollen nach Angaben von „Akut“ angeblich private Videoaufnahmen die „Quälereien“ der Kinder dokumentieren. Tatsächlich seien die Aufnahmen aus einem mit Senatsgeldern produzierten Filmbeitrag der „Story-Dealer“ selbst entnommen, erklärte der Leiter des Projekts, Johann Geisslinger. Außerdem sei der im Filmbeitrag gezeigte Junge bei der umstrittenen Fahrt überhaupt nicht dabeigewesen.

Seit über zehn Jahren veranstalten die „Story-Dealer“ im Auftrag des Bezirksamts Kreuzberg ihre Abenteuerreisen. Das Konzept sieht vor, daß die Kinder während der Ferien eine durchgängige Geschichte erleben, ohne zu erfahren, daß sie nicht der Wirklichkeit entspricht. Dabei sei das Erleben von Angst durchaus vorgesehen, so die Mitarbeiter. Kinder fanden sich beispielsweise als Teilnehmer einer Zeitreise oder wurden mit einem Kaninchen konfrontiert, das zu einem überdimensionalen Monster heranwuchs.

„Wir behaupten, daß wir mit unseren Geschichten die Kinder stärken“, meint Jugendarbeiterin Kirsten Hense. Die Schwestern Ilse und Caroline, die mehrmals mit den „Story-Dealern“ unterwegs waren, haben gute Erinnerungen an ihre Urlaubsfahrten. Zwar sei auch die Angst ein Element der Geschichten gewesen, „aber ich habe die Angst auch genossen, weil ich sie ausleben konnte“, meint die sechzehnjährige Caroline.

Zweifel, ob alle Kinder ihre Furcht derartig verarbeiten können, bleiben bestehen. Ihre experimentelle Jugendarbeit sei durchaus umstritten, „doch es geht momentan um kein pädagogisches Konzept, sondern um eine Schmutzkampagne“, erbost sich Frank Kiepert. Aus Zweifel am Konzept hat das Bezirksamt Kreuzberg die Zusammenarbeit bereits im März aufgekündigt. „Einige Kinder sind mit dieser Form von Erlebnisreisen eindeutig überlastet“, meint der Kreuzberger Bezirksstadtrat Helmut Borchardt. Auch das Bezirksamt Friedrichshain will die Zusammenarbeit ruhen lassen, bis die Vorwürfe geklärt sind. Hella Kloss

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