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Politikverdrossene Politologen-betr.: Uni-Beilage, taz vom 19.4.93

betr.: Uni-Beilage,

taz vom 19.4.93

Bei der Erwähnung des Universitätskomplexes in Babelsberg wurden die dort befindlichen Fachbereiche Jura und Wirtschaftswissenschaften aufgezählt, nicht aber die Politikwissenschaft. Zufall oder nicht, die Nichterwähnung scheint symptomatisch für das Schattendasein, das dieser Fachbereich von Beginn an führt. Der entsprechende Terminus technicus hierfür lautet wohl Simulation.

Manche Studentin und mancher Student fragt sich mittlerweile, was sie/er da eigentlich studiert. Von den in diesem Fachbereich ausgeschriebenen fünf Lehrstühlen sind noch immer drei entweder nicht oder nur vertretungsweise besetzt. N.N., also no name, ist die meistgebrauchte Chiffre bei der Stellenbesetzung.

In den Verwaltungswissenschaften z.B., immerhin ein ausgewiesener Studienschwerpunkt, können die Studenten im Hauptstudium zwischen der Teilnahme oder Nichtteilnahme an einem Seminar wählen. In zwei weiteren Kernbereichen werden lediglich zwei Veranstaltungen angeboten.

Der Gründungsrektor der Universität Potsdam, Professor Mitzner, wurde im taz-Artikel mit den Worten zitiert: „Wir wollen eine kleine, aber feine Universität werden.“

Für den Fachbereich Politikwissenschaft trifft zu, daß er seit seiner Gründung ein kleiner ist. Ob er aber jemals ein feiner werden wird, was nichts anderes hieße, als endlich ein qualitativ hochwertiges und vielfältiges Studienangebot zu unterbreiten, muß bezweifelt werden. Verantwortlich ist das Kultusministerium, denn offensichtlich hat sich das Land Brandenburg mit drei Universitäten finanziell übernommen. Der Lehrbetrieb kann nur deswegen aufrechterhalten werden, weil sich eigentlich abgewickelte ostdeutsche Dozenten für Zeitverträge verdingen müssen, um selbst existieren zu können.

So mutet es schon reichlich grotesk an, daß ausgerechnet Studenten der Politikwissenschaft mit einem Phänomen zu kämpfen haben, das man bei ihnen zuletzt anzutreffen meint, nämlich Politikverdrossenheit. Jochen Mattern, Berlin

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