: Bonner Koalition wird zum Pflegefall
■ Verhärtete Fronten im Streit um die Pflegeversicherung zwischen Union und FDP / CDU zeigt sich zu Widerstand gegen FDP entschlossen / FDP bleibt beim Nein / Schäuble bleibt optimistisch
Frankfurt (AP/dpa/taz) – Im Koalitionsstreit um die Pflegeversicherung haben sich die Fronten weiter verhärtet. Die CDU zeigte sich gestern entschlossen, das Gesetzesvorhaben auch gegen den Widerstand der FDP durchzusetzen. Die Liberalen bekräftigten ihre Haltung, wonach die Versicherung gegenwärtig aus finanziellen Gründen nicht zu verwirklichen sei. CDU-Generalsekretär Peter Hintze sprach von einem „traurigen und miserablen Zustand“ der Liberalen. Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Schäuble, kritisierte den Streit als „ebenso überflüssig wie in der Sache unbegründet“. Schäuble wollte nicht ausschließen, daß sich die Fraktionen schon in der kommenden Woche auf ein Kompensationsmodell bei der Finanzierung der Pflegeversicherung verständigen. An der Einführung einer Pflegeversicherung werde festgehalten. „Daran hat sich auch unter den verschlechterten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nichts geändert“, sagte Schäuble.
Arbeitsminister Blüm zeigte sich überzeugt, daß die Pflegeversicherung auf jeden Fall kommen und die Koalition an dieser Frage nicht scheitern werde. Der CDU- Politiker erinnerte daran, daß die Koalition unter Zeitdruck stehe: „Wenn ich an die Menschen in den Pflegeheimen denke und an die vielen Frauen, die pflegebedürftige Verwandte zu Hause selbstlos pflegen, weiß ich, was in diesem Sozialstaat wichtig ist.“
Der FDP-Vorsitzende Lambsdorff hatte am Donnerstag die von den Koalitionsparteien vereinbarte Pflegeversicherung für diese Legislaturperiode für gescheitert erklärt. Zur Begründung erklärte er, weder die Streichung eines Feiertages noch die Einführung von Karenztagen reichten aus, um zusätzliche Belastungen von der Wirtschaft fernzuhalten.
Der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler erneuerte das Angebot seiner Partei an die Unionsfraktionen, das Gesetz ohne die FDP zu verabschieden. Er gehe davon aus, daß etwa 160 Unionsabgeordnete mit den Sozialdemokraten stimmen würden.
CDU/CSU und FDP hatten im Juni 1992 eine Pflegeversicherung vereinbart, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu gleichen Teilen finanziert werden soll. Auf Drängen der FDP und des Unionsmittelstandes sollte der Arbeitgeberanteil ausgeglichen werden, etwa durch die Einführung von Karenztagen oder durch den Wegfall von einem oder zwei Feiertagen. Blüm sollte ursprünglich bis Oktober 1992 einen Gesetzentwurf vorlegen. Dies scheiterte aber bisher.
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