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Die Inszenierung des Finales versaut

■ FC St. Pauli: Ziemlich zufällig aus Wolfsburg einen Punkt entführt / 2:2 in der letzten Minute

Ziemlich zufällig aus Wolfsburg einen Punkt entführt / 2:2 in der letzten Minute

„Das ist alles so geplant“, weiß Guschi zu berichten. Guschi wohnt seit dreißig Jahren auf St. Pauli, hat alles mitbekommen auf dem Kiez, die swinging 6Ts, die öden 70er Jahre und die Wiedergeburt des Hamburger Schmuddelviertels in den 80ern, samt dem FC St. Pauli. „Alles geplant, daß die jetzt so schlecht spielen, die wollen am Ende noch für Spannung sorgen, sonst würde niemand mehr ins Stadion gehen“, wiederholt Guschi im Imbiss „Bei Gila“ am Sonnabend abend seine Fußballtheorie. Zuvor war er beim Auswärtsspiel in Wolfsburg.

„Das war Absicht, das sach ich Dir, das mit dem 2:2. Sonst läßt sich Eisen-Dieter Schlindwein doch nicht so leicht auswackeln“, stellte Guschi fest und meinte damit das 1:0 der Niedersachsen in der 47. Minute, als Siggi Reich im St. Pauli- Strafraum Dieter Schlindwein ganz, ganz alt ausschauen ließ und unbedrängt einschießen konnte. Zu dem Zeitpunkt spielten die Wolfsburger bereits in Unterzahl: Nach einer gelb-roten Karte mußte Brunner in der 30. Minute das Spielfeld verlassen.

„Und dann das 2:0“, fährt Guschi fort: „Normal ist das nicht, daß fünf Abwehrspieler zugucken und Reich allein aufs Tor zulaufen kann“, sprach Guschi und bestellte ein neues Holsten. „Die wollten nämlich verlieren, um durch den Abstiegskampf wieder mehr Zuschauer ins Stadion zu locken“, wiederholt er sich wiederum. „Nur Thomforde war wieder zu blöd!“, Guschi lacht. „Wenn es drauf ankommt, hält der keinen Ball fest und wenn das Spiel verloren gehen soll, dann hält der wie ein Weltmeister.“

Unbeabsichtigt, wenn man die Theorie des Alt-St. Paulianers berücksichtigt, auch der Anschlußtreffer zum 2:1 in der 56. Minute durch Martino Gatti. Eine Flanke nach einem Alibi-Angriff touchierte unverhofft den Pfosten des Wolfsburger Gehäuses und sprang von dort über die Torlinie.

„Die werden sich vielleicht geärgert haben, als der Schlindwein dann in der 89. Minute angeschossen wurde und es auf einmal 2:2 stand“, schildert Guschi mir den Ausgleich vor 6000 Zuschauern.

Ein Abstiegsplatz ist dem FC St. Pauli durch das 2:2 zumindest für diesen Spieltag erspart geblieben. Mittwoch gegen den Chemnitzer FC könnte der Kiezclub wieder in das Rennen um die Plätze in der Oberliga eingreifen. Neun Punkte brauchen die Jungs von St. Pauli- Trainer Seppo Eichkorn nach eigenen Berechnungen noch, um der Zweiten Liga erhalten zu bleiben — bei neun verbleibenen Spieltagen. kader

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