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Senatorin Trüpel streicht VHS

■ ... an: Kultursenatorin malert konkret und symbolisch in der VHS gegen Streichungen

High noon für die Kultur: In einer konkreten und symbolischen Aktion griffen gestern mittag die Chefinnen und Chefs von Kulturverwaltung und Volkshochschule Bremen zu Pinsel und Farbe und strichen drei Räume der VHS Schwachhauser Heerstraße weiß an. So wollten sie gegen drohende Streichungen im Bereich des Kulturressorts protestieren.

„Diese Aktion hat eine doppelte Botschaft“, erklärte die weißbekleckerte Kultursenatorin Helga Trüpel. „Wir wissen natürlich, daß Sparen unausweichlich ist und wir wollen zu mehr Eigeninitiative und Selbstverantwortung unter Künstlerinnen und Künstlern auffordern. Auch die Behörde ist bereit, unkonventionelle Wege zu gehen. Andererseits beharren wir aber darauf, daß der Kulturetat steigt, wie es in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben ist.“ Trüpel will ihren Kabinettskollegen, Finanzsenator Kröning, auf seinen erklärten Willen vom August '92 „die Unterstandards im Bereich Kultur abzubauen“ festnageln.

Denn die Eckwerte für den Haushalt 1994, die am Dienstag im Senat auf der Tagesordnung stehen, lassen bei den Kulturschaffenden und — verwaltenden die Alarmglocken schrillen. 10 bis 12 Millionen Mark liege der Entwurf allein für den Bereich Kultur unter der in der Koalitionsabmachung festgelegten Summe für 1994. „Wenn diese Eckwerte Realität werden, heißt das kein Musikfest, keine Breminale, kein Literaturpreis, Streichung aller Zuschüsse für die freie Kulturszene, Schließung des Waldau-Theaters und die Streichung von einem Drittel der Zuschüsse für die Bürgerhäuser und einem Viertel der Zuschüsse für die Kunsthalle“, kritisierte Trüpel. Vor allem wehrt sie sich dagegen, „die Koalitionsvereinbarung einfach so außer Kraft zu setzen“. Es müsse eine politische Diskussion geführt werden über den Stellenwert der Kultur bei leeren Kassen. Sanierung, so Trüpel, dürfe sich nicht auf die Infrastruktur und die Wirtschaft beschränken. „Die Kultur darf nicht kaputtgespart werden.“

Von den Verhandlungen im Senat will die Kultursenatorin das weitere Vorgehen abhängig machen; möglicherweise müßten die Grünen auf einer Parteiversammlung darüber beraten: „Es geht hier nicht um Trüpel-Millionen, sondern um die Einhaltung der Koalitionsvereinbarung; damals wußte man schon, daß das Geld knapp sein würde und hat sich trotzdem für eine Etaterhöhung entschieden. Daran muß man sich jetzt halten“, forderte Helga Trüpel.

Die 250 Quadratmeter Wandfläche in der VHS, die gestern geweißelt wurden, mußten bis zum Abend fertig sein; schließlich sollte der Betrieb heute normal weitergehen. 108.000 Mark seien der Volkshochschule gerade für die Renovierung gestrichen worden, erklärte VHS-Direktor Erhard Schlutz. Vor einem Jahr wurde eine seit zehn Jahren anstehende neue Heizung installiert — daraufhin brach das Telefonsystem zusammen. „Jetzt haben wir nur provisorische Telefonleitungen und damit müssen wir eine EDV einführen.“

Schon jetzt, erzählt Schlutz, putzten die VHS-Angestellten ihre Büros selber: „Eigeninititative ist ja schön und gut, aber man kann nicht verlangen, daß die Leute ihre eigenen Räume streichen.“ Im Gebäude schauen die Kabelenden aus der Wand, elektrische Leitungen sind nur grob verputzt, Zustände, wie sie „heutzutage in keiner Jugendherberge mehr herrschen“, sagt Schlutz. „Es ist furchtbar zu sagen, aber wir können unsere Räume eigentlich nur Leuten anbieten, die niedrigste Standards haben — ältere Analphabeten oder Ausländer.“

Bernhard Pötter

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