Der Papst auf atheistischem Boden

■ Johannes Paul II. besucht Albanien / Aufruf zur Toleranz

Tirana (taz) – Erstmals in der Geschichte Albaniens betritt ein Papst den Boden des „atheistischen Landes“ – und so wurde er von über Hunderttausend AlbanerInnen jubelnd begrüßt. Ziel des eintägigen Besuchs ist die Weihe von vier Bischöfen in der Stadt Shkodra, gleichzeitig tritt Johannes Paul hier jedoch als „symbolische Figur für den Fall des Kommunismus“ auf. Er rief die albanische Bevölkerung zum Aufbau einer „freien und humanen Gesellschaft“, ohne die brutale Unterdrückung durch die kommunistische Herrschaft zu vergessen. Das Oberhaupt der katholischen Kirche forderte die albanische Nation außerdem zum friedlichen Zusammenleben auf. Nur so könne der Wiederaufbau und die nationale Erneuerung vorangebracht werden. Im moslemischen Albanien bekennen sich nur zehn Prozent der EinwohnerInnen zum katholischen Glauben.

Nach diesen Eröffnungsworten verzichtete der Papst – aus Sicherheitsgründen – auf den Hubschrauberflug nach Shkodra und reiste statt dessen mit dem Auto in die katholische Hochburg im Nordwesten des Landes, wo er während einer Messe die neuen Bischöfe weihte; den Erzbischof von Soutari Franco Illia (85) und dessen Weihbischof Zef Simoni (75), den Erzbischof von Durraz-Tirano Rrok Mirdita (64) und Bischof Robert Ashta (85), der mit der Betreuung der Gläubigen im Süden des Landes beauftragt wurde.

Es war nach 50 Jahren die erste Möglichkeit, wieder Bischöfe für Albanien zu benennen. Hatte der albanische Staat der Religion doch auf unvergleichliche Art und Weise den Kampf angesagt. Seit 1967 bezeichnete sich Albanien als „erster atheistischer Staat der Welt“. Jegliche Religionsausübung wurde von der damaligen kommunistischen Regierung unter Strafe gestellt. Die Geistlichen wurden verhaftet und mußten meist lange Gefängnisstrafen wegen „religiöser Propaganda“ verbüßen. Hunderte kamen ums Leben.

Zu den Verfolgten zählte auch der jetzt zum Bischof geweihte Franco Illia. Er wurde 1967 verhaftet und später zum Tode verurteilt. Offizielle Begründung: Spionage für den Vatikan. 25 Jahre lang saß er deswegen im Gefängnis; Zef Simoni 15 Jahre lang; Robert Ashta mußte ab 1967 als Zwangsarbeiter beim Bau von Wasserkraftwerken in Nordalbanien helfen; Rrok Mirdita dagegen wurde in Montenegro geboren und arbeitete seit 1970 als Priester der albanischen Gemeinde in New York.

Mit dem Religionsverbot wurden auch sämtliche Kirchen und Moscheen im Land geschlossen und zum Großteil zweckentfremdet genutzt. Entweder als Lagerhalle, als Kino – wie die katholische Kirche in Tirana oder als Sporthalle – wie die Kathedrale in Shkodra. Sie ist die größte Kathedrale auf dem ganzen Balkan und wurde nun, nachdem den Kirchen ihre Gebäude wieder zurückgegeben wurden, vollständig renoviert.

Die albanische Bevölkerung durfte zwar in den Jahren der kommunistischen Diktatur ihren Glauben nicht öffentlich bekunden, aber in den meisten albanischen Familien sind religiöse Bräuche erhalten geblieben, und so erleben die drei in Albanien vertretenen Religionsgemeinschaften augenblicklich eine große Rennaisance.

Anders als im benachbarten ehemaligen Jugoslawien herrscht in Albanien auch heute zwischen den Religionsgemeinschaften eine große gegenseitige Toleranz. So feierten in diesem Jahr alle drei Religionsgemeinschaften gleichberechtigt ihr Oster- beziehungsweise Bairam-Fest. Die albanische Bevölkerung kam dadurch in den Genuß von drei langen freien Feiertagswochenenden. Zum Abschluß seines Besuches verurteilte der Papst am Abend in Tirana auf einer Kundgebung den „absurden Bruderkrieg“ in Ex-Jugoslawien und rief zum Frieden in Bosnien auf. Matthias Kalusch