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Mit einer „KSZE Südosteuropa“ gegen die Eskalation

■ Von außen eingebrachte und territorial begrenzte Lösungsmodelle sind nach Meinung des Friedensforschers Johan Galtung für den Bosnien-Konflikt ungeeignet

Nachdem der selbsternannte „Präsident“ der bosnischen SerbInnen, Radovan Karadžić, am Wochenende selbst das von EG- Vermittler David Owen unterbreitete Angebot für einen Korridor zur Verbindung künftiger serbischer Provinzen im Nordosten und Nordwesten Bosnien abgelehnt hat, dürfte der Vance-Owen- Plan nun auch offiziell endgültig gescheitert sein. Und damit der ganze von UNO und EG Anfang September 92 in Genf begonnene Verhandlungsprozeß. Die meisten Beobachter sind hierüber nicht überrascht. Wer die Genfer Verhandlungen nicht bereits von Beginn an für eine reine Alibi-Übung hielt, kam spätestens Ende Oktober 92 zu dieser Einschätzung. Zu diesem Zeitpunkt hatten Serben und Kroaten ihre weitgehend deckungsgleichen Vorstellungen über eine Aufteilung der exjugoslawischen Republik auf den Verhandlungstisch gelegt. Die Kroaten erhielten mit dem von Vance und Owen Anfang Januar eingebrachten Vorschlag für die Aufteilung Bosniens in zehn Provinzen weitgehend das, was sie ursprünglich verlangt hatten. Die Serben, die nach der vorgeschlagenen Karte etwa 35 Prozent der von ihnen bis Anfang Januar bereits eroberten Gebiete hätten wieder abgeben müssen, setzten ihre Vorstellungen seitdem Schritt für Schritt auf dem Schlachtfeld durch – völlig unbeschadet der Tatsache, daß Karadžić weiter an den Verhandlungen teilnahm.

Doch selbst wenn Karadžić unter dem Druck der heute in Kraft tretenden verschärften Sanktionen gegen Rest-Jugoslawien doch noch unterschreiben sollte: der Vance- Owen-Plan ist nach Einschätzung der meisten Beobachter nicht realitätstüchtig. Bleibt also als einzige Alternative die endlose Fortsetzung des Krieges zwischen den drei bosnischen Parteien oder gar militärische Kampfmaßnahmen von außen? Keineswegs, auch wenn die Phantasie in den Hauptstädten des Westens wie in Moskau derzeit offensichtlich keine anderen Optionen mehr zuläßt. In einem am Wochenende geführten Gespräch mit dieser Zeitung plädiert der norwegische Friedensforscher Johan Galtung „für einen völlig neuen Ansatz“.

Unter der Voraussetzung eines vollständigen Waffenstillstands

Galtung ist überzeugt, daß „von außen – sei es durch die EG oder die UNO – vorgetragene Lösungsmodelle nicht funktionieren können“. Zudem würden angesichts der Probleme in ganz Südosteuropa auch „isolierte Lösungen nicht funktionieren – weder auf Bosnien-Herzegowina noch auf das ganze Ex-Jugoslawien begrenzte“. Galtung schlägt daher die Einberufung einer „KSZE Südosteuropa“ vor. Teilnehmer müßten neben allen exjugoslawischen Republiken Albanien, Griechenland, Bulgarien „und wahrscheinlich auch die Türkei“ sein. Unter der Voraussetzung eines vollständigen Waffenstillstandes in Bosnien und Kroatien sowie der unbehinderten Zulassung humanitärer Hilfsleistungen könne dann auf dieser „KSZE Südosteuropa“ „in Ruhe über eine für alle Beteiligten tragfähige politische Lösung der Konflikte verhandelt werden“. Galtung hält es für „unerläßlich“, den Automatismus zwischen Waffenstillstand und gleichzeitiger Festschreibung einer politischen Lösung, wie er im Vance-Owen- Plan vorgesehen ist, „aufzubrechen“. Sollte es es bei diesem Automatismus bleiben, werde der Krieg „endlos weitergehen“.

Die Frage ist, von wem die Initiative für eine solche Einberufung einer „KSZE Südosteuropa“ ausgehen könnte. Bei den für die Jugoslawienpolitik der EG verantwortlichen politischen Beamten ist in letzter Zeit eine tiefe Ernüchterung über den bisher gewählten Ansatz festzustellen. Sie sehen inzwischen die eigenen schweren Fehler sehr klar und wären dankbar für neue Vorschläge, die aus der Sackgasse führen könnten. Allerdings dürften ihre Chefs, die EG-Außenminister, das Scheitern ihrer Politik und ihre Verantwortung hierfür vorläufig kaum öffentlich einräumen.Der Vorschlag für einen neuen Verhandlungsansatz müßte daher zunächst von anderer Seite in die internationale Diskussion gebracht werden. Ein möglicher Rahmen wäre die (Gesamt-) KSZE. Hier könnten die durch Fehler und Versäumnisse in der Jugoslawienpolitik bislang unbelasteten osteuropäischen Staaten wie Polen, Ungarn oder die Tschechei die Initiative ergreifen und den Westeuropäern, aber auch den USA und Rußland ermöglichen, sich ohne Gesichtsverlust anzuschließen. Andreas Zumach, Genf

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