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Czichon: Grobecker irrte sich

■ Keine „Bewirtungshehlerei“ / SPD-Spendenakten fehlen

Am vergangenen Freitag hatte Bremens früherer Finanzsenator Claus Grobecker sich als „sauberer“ Stadtwerke-Aufsichtsratsvorsitzender darzustellen. Gestern korrigierte Stadtwerke-Vorstand Günther Czichon dieses Selbstbild Grobeckers mit klaren Worten: „Ich glaube, Grobecker irrt sich in weiten Bereichen.“

Entgegen einer Aussage vor dem Ausschuß, so mußte Grobecker zwischenzeitlich einräumen, hatte er das Abschiedsgeschenk der Stadtwerke, ein Ernsting-Bildnis (taz 24.4.) doch angenommen — es steht bei ihm zu Hause. Auch bei der Behauptung, Aufsichtsratssitzungen nur in seinem Arbeitszimmer vorbereitet zu haben, irrte Grobecker, sagte gestern Czichon: In mehreren Fällen habe Grobecker zu solchen Essen auch Beamte mitgebracht, was bei einem „privaten“ Charakter schwerlich möglich gewesen wäre. „Wer mich kennt, und wer Herrn Grobecker kennt, der weiß, daß meine Sehnsucht nach privaten Kontakten sich in Grenzen hält.“

Über die Spendenpraxis der Stadtwerke brachte die erneute Vernehmung Czichons nicht viel Neues. „Sie sehen das alles viel zu formal“, belehrte Czichon den unermüdlich fragenden CDU-Parlamentarier Niederbremer, „kleinkariert“ fand er einmal sogar die Nachfrage. Bei vielen Kleinen sei nach dem Motto: „Was für Bremen gut ist, ist auch für die Stadtwerke gut“ verfahren worden. Daß die Bittsteller für Spenden immer wieder SPD-Mitglieder waren, die sich zum Teil mit „Lieber Günther“ an die Privatadresse des Vorstandsvorsitzenden wandten, erklärte Czichon mit dem Hinweis, in Bremen seien eben die meisten Vorsitzenden auch Mitglied der SPD. Daß Gunter Hilliges im Spendenbrief auf Czichons Mitgliedschaft in dem Verein Bremen-Pune hinwies — kein Problem. Nur Elke Krönings handgeschriebenen Bittbrief für das Tierheim fand Czichon „mindestens ungewöhnlich“ und bat, so erinnerte er sich, um einen ordentlichen Bitt-Brief des Tierheims. Als Czichon schließlich die Unterstützung der Butterwegge-Habilitions-Veröffentlichung über den Austromarxismus mit dem Hinweis rechtfertigte, damit sei „das wissenschaftliche Ansehen der Universität Bremen“ gefördert worden, mußte CDU-Kollege Teiser prustend lachen, und Niederbremer bekannte, ihm fiele dazu nichts mehr ein.

Wütend wurde die Grüne Elisabeth Hackstein, als sie zu den Belegen für die SPD-Spenden Nachfragen hatte (vgl. tazb 23.4.) — und Czichon ihr eröffnete, der Ausschuß habe da offenbar nur das Deckblatt des Vorgangs bekommen. Ursprünglich hatten die Stadtwerke auch in ihrer 1992-Spenden-Liste die zweiten 30.000 Mark nicht erwähnt und dann vor zwei Wochen etwas nachgereicht. Offensichtlich immer noch nicht vollständig.

Von dem 250-000-Mark-Kredit der Bonner SPD an die Bremer Landesorganisation hat Czichon übrigens möglicherweise schon gewußt, bevor die Stadtwerke im Dezember 1991 eine Überweisung von 90.000 Mark als Spende an die Bonner SPD beschlossen. Er könne das nicht ausschließen, räumte Chzichon gestern ein, konnte sich aber nicht mehr erinnern, vom wem er wann von dem SPD-Kredit erfahren habe. K.W.

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