: Hoechst-Chef: Störfallserie ist eine Medienerfindung
■ Hauptversammlung mit Aktionärskritik
Frankfurt (taz) – Das Ganze sei von den Medien „zur Störfallserie aufgebauscht“ worden. Bei Hoechst, so Vorstandschef Wolfgang Hilger gestern vor der Aktionärsversammlung, gebe es „keine technischen Mängel“. Die Anlagen des Konzerns entsprächen dem neuesten Stand der Technik. Für die von Hessens Umweltminister Joschka Fischer (Die Grünen) und auch Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) geforderte Trennung der Zuständigkeiten für Produktion und Sicherheit gebe es daher „keinen Anlaß“: „Wer das fordert, wie Töpfer, der hat keine Ahnung von den gesetzlichen Vorschriften und von der Realität in den Unternehmen.“
Die ist für Hilger vor allem von der wirtschaftlichen Talfahrt geprägt, die auch dem Hoechst-Konzern im ersten Quartal 1993 einen Umsatzeinbruch von fünf Prozent beschert hat. Selbst die bislang gewinnträchtige Pharma-Sparte sei nunmehr durch die Gesundheitsreform angekränkelt. Der Inlandsumsatz mit Hoechst-Arzneimitteln habe im ersten Vierteljahr um zehn Prozent unter dem des Vorjahreszeitraums gelegen. Ebenfalls harmlos und nur zum Besten der Menschheit gedacht ist nach Meinung der Gentechnik-Experten der Hoechst AG das Verfahren zur Herstellung von Insulin mit Hilfe gentechnisch veränderter Bakterien, das zur Zeit im Frankfurter Stammwerk erprobt wird. Kurz vor Ostern hatte der Konzern einen Antrag auf Genehmigung einer gewerblichen Herstellung von biosynthetisch gewonnenem Humaninsulin gestellt.
Und um zu beweisen, daß der Wert der Gentechnik für die biologische und medizinische Grundlagenforschung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, lädt die Hoechst AG die interessierte Öffentlichkeit ab heute zu vier Tagen der offenen Tür.
Überhaupt sind Gentechniker und potentielle Betreiber hierzulande der Ansicht, „gesetzliche Fesseln“ verhinderten, daß Deutschland im Gentech-Bereich noch einen Fuß in die Tür bekomme. Sie trommeln daher zur Zeit mit Nachdruck für eine Lockerung des Gentechnikgesetzes, das die Kontrolle durch eine kritische Öffentlichkeit möglichst ausschließen soll. Seite 7, Gentech-Seite 3
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