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■ Frankreich: Immer gegen die AltenEs blühte einst ein Püfflein

Hamburg (taz) – Was ist bloß mit unseren Franzosen los? Gewissermaßen als Zugabe zum hundertjährigen Geburtstag des berühmten Maxim – ach, Danilo! – meldet die französische Presseagentur Agence France Press (AFP) aus dem Land der Amours die Aushebung eines anderen Sündenpfuhls. In Yzeure bei Moulins, also in der allertiefsten Provinz, blühte ein Püfflein im Schatten der Mauerblümchen ersprießliche zehn Jahre, ehe am Montag die geballte Staatsmacht zuschlug, die Puffmutter in den Knast und das stille Örtchen in die Schlagzeilen brachte. Wurden etwa Schuljungen sittlich gefährdet? Oder handelt es sich um eine Sumpfblüte des nicht genug zu verdammenden Mädchenhandels? Nach Überprüfung aller Informationen sind wohl eher einige pflichtbewußte Beamte in vorauseilendem Gehorsam den neu zu preisenden neokonservativen Werten gegenüber stracks ins Mittelalter galoppiert. Und haben dabei ein bemerkenswertes Selbsthilfeprojekt zerschlagen. Madame M., die Puffmutter, ist mit ihren 81 (einundachtzig) Jahren wohl eher als Puffoma zu bezeichnen, und laut Polizeibericht vermittelte sie die Liebesdienste mehrerer 40- bis 60jähriger Frauen, die wegen diverser Geldsorgen der Gelegenheitsprostitution nachgingen. Wegen Fluchtgefahr sitzt sie nun im Knast von Riom.

Wir sind empört und hoffen die Grauen Panther auf unserer Seite! Seit Jahren kämpfen wir für das Recht der Alten auf Sex.

Wir sind strikt gegen die Ausgrenzung der Alten aus unserer Gesellschaft und ihren Freuden. Außerdem empören wir uns regelmäßig über die Altersarmut und möchten feststellen, daß Frankreichs Renten noch mieser sind als die unsrigen. Auch hier sind Männer generell besser gestellt als Frauen, auch hier ist Umverteilung nötig, und einen Weg in die richtige Richtung wies uns zweifellos Madame M.

Herr Blüm, Sie sind gefordert! Auch bei uns droht eine Rentenpleite, und hier geht es um ein Selbsthilfeprojekt, das vor allem für die fünf neuen Länder bald Vorbildfunktion haben dürfte. Agilität im Alter, Aufbesserung der Rente durch bescheidenen Nebenerwerb – gestickte Täschchen sind bekanntermaßen out! –, all Ihre überzeugenden Vorschläge und noch einige mehr wurden von unseren Nachbarn mit einer einzigen Staatsklatsche plattgemacht!

Herr Bangemann, der Sie in Brüssel für den Verkehr zuständig sind, sorgen Sie für ein strenges EG-Diktum gegen diesen unverantwortlichen Schlag gegen die freie Marktwirtschaft und das Recht auf Selbstverwirklichung! Auch Sie werden einmal älter, und vielleicht geht dann Ihr Appetit nicht nur nach jungem Gemüse.

Frau Rönsch, bedenken Sie, daß durch das vorbildliche Sozialprodukt in Yseure frustrierte Opas dort davor bewahrt wurden, sabbernd um Spielplätze schleichen zu müssen!

Frau Merkel, treten Sie ein für das Recht der Alten auf Lust! Hier können Sie sich endlich einmal medienwirksam profilieren! Außerdem könnten solche Einrichtungen Ihrem Bundesland einige Putzfrauen ersparen.

Herr Seehofer, so können Rentnerinnen Ihre Reform bezahlen und bleiben sogar fit!

Und schließlich: Liebe Madame M. im Knast! Halten Sie die Ohren trotz Hörgerät steif, und trösten Sie sich damit, daß in Ihrem Land auch eine Jeanne d'Arc verbrannt wurde. Wir würden Ihnen gerne politisches Asyl gewähren. Im Bundessozialministerium wartet übrigens ein dicker Beratervertrag auf Sie, wg. Aufbau kleiner Selbsthilfegruppen im Seniorenbereich. Wir bewundern Sie! Hans-Georg Behr

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