: Höllenvisionen
■ Peter Hyams "Stay Tuned" zeigt unendliches Fernsehen
Eigentlich könnte Roy Knable ein glücklicher und zufriedener Mann sein – er hat eine reizende Frau, zwei wohlgeratene Kinder und ein nettes Haus in der Vorstadt. Doch Roy (John Ritter) ist eine typische Couchkartoffel. Tagsüber plagt sich der im Schatten seiner erfolgreichen Frau (Pam Dawber) Stehende, als Vertreter für Klempnerbedarf mit den Widrigkeiten des Lebens fertigzuwerden. Nach Feierabend aber wird er zum Helden: Er spricht lippensynchron mit Bogie oder kreuzt mit Errol Flynn die Klinge. Müßig zu erwähnen, daß bei dieser ausdauernden Freizeitgestaltung das Familienleben zu kurz kommt.
Ehefrau Helen ist zu einem letzten Rettungsversuch bereit. Aber als ihr Roy anstelle der erwarteten Liebesbeteuerungen etwas von der überaus wichtigen zweiten Verlängerung beim Basketball ins Ohr flüstert, ist für Helen die Schmerzgrenze erreicht – sie stürmt aus dem Haus, nicht ohne jedoch vorher den quaderförmigen Nebenbuhler zu terminieren.
Das ist der richtige Zeitpunkt für den Auftritt des rührigen Spike (Jeffrey Jones), Programmchef von Hellvision, mit seinem einmaligen Angebot: Satelliten-TV mit 666 Kanälen voll hochexplosiver, schädelsprengender Unterhaltung. Und das Drei-Wege-High- Tech-Fernsehgerät gibt es gleich dazu. Wie könnte der unter starken TV-Entzugserscheinungen leidende Roy da noch widerstehen? Begeistert läßt er sich das monströse Gerät ins Wohnzimmer stellen. Spike verabschiedet sich mit den ominösen Worten, daß bei Empfangsproblemen die Satellitenantenne nachjustiert werden muß. Doch erstmal gehen Roy die Augen über: eingeölte Aerobic- Turnerinnen, die „Sadistische Versteckte Kamera“ und dann nur noch – Bildstörung.
Bis sich Spikes teuflisch gute Seelenfängermaschine aktiviert: die gigantische Empfangsanlage saugt den armen Roy und die zufällig im Wege stehende Helen in die Zwischenwelt des unendlichen Fernsehens. Sie werden zwangsweise zu Mitspielern in Gameshows und werden beim höllischen Wrestling tüchtig durchgebleut.
24 Stunden aktiv die Programmvielfalt von Hellvision überleben heißt die Devise, denn dann müssen die Kandidaten in ihr irdisches Dasein zurücktransferiert werden. Aber das hat noch niemand geschafft, dafür sorgt schon der diabolische Spike. Gelingt es Roy trotzdem, seine Couchschwere abzustreifen und wird aus dem zerstrittenen Ehepaar wieder ein Team? Bleiben Sie auf Empfang.
Doch nicht nur die Eltern Knable haben so ihre Probleme. Denn wie erklärt man etwa seiner großen Schwester, daß die beiden, von RoboCat gejagten Zeichentrickmäuse auf dem Bildschirm Mom und Dad sind?
„Stay Tuned“ zeigt, wie amüsant es sein kann, wenn liebgewonnene (Fernseh-) Gewohnheiten zum Alptraum mutieren. Der Film treibt zwar sein Spiel mit dem allgemeinen Couchkartoffeltum, ist aber ganz und gar auf die Sehgewohnheiten dieser Gruppe abgestellt.
Wer sonst verstünde denn auch all die vielen Anspielungen und Insidergags, wenn nicht die Dauergucker unter uns? Da wird eiskalt mit „Alaska“ abgerechnet, und in „Duanes Unterwelt“ muß sich Roy mit seinen zombiehaften Gastgebern abplagen. Von MTV bis Star Trek, von Schwarzer Serie bis Endlosserie. Es gibt kein Genre, das nicht sein höllisches Fett abkriegt.
Und auch wenn „Stay Tuned“ nur so von hochklassigen Special Effects wimmelt, wird die Handlung nicht in den Hintergrund gedrängt. Kurz gesagt, Regisseur Peter Hyams sind mit „Stay Tuned“ 89 Minuten teuflisch amüsante Kino-Unterhaltung gelungen. CAK
Peter Hyams: „Stay Tuned“. Mit John Ritter, Pam Dawber, Jeffrey Jones, Eugene Levy, David Tom u.a.; Kamera: Peter Hyams; USA 1992
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