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Kein Spritzentausch im Knast

■ JES fordert saubere Spritzen / Anstaltsleitung fürchtet illegalen Konsum

Schwere Vorwürfe erhoben gestern Mitglieder der Selbsthilfegruppe Jes (Junkies, ehemalige Drogenabhängige, Substituierte) und der Aids-Hilfe gegen die Bremer Justizbehörde. Weil drogenabhängige Strafgefangene im Knast keine Spritzen tauschen dürfen, sei „fast schon der Tatbestand vorsätzlicher Körperverletzung“ erfüllt, erklärte der Leiter der Oldenburger Aids-Hilfe, Tim Däumel, vor Journalisten. Durch eine Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes (BTMG) zum 1.2.1993 sei die Vergabe von sterilen Spritzen ausdrücklich vom Straftatbestand des „Verschaffens von Gelegenheiten“ zum Drogenkonsum ausgeschlossen. Durch den Dauergebrauch der illegal in den Knast geschmuggelten Spritzen würden die Infektionsraten von HIV und Hepatitis sprunghaft steigen, kritisierte Däumel.

Rolf Bösche, geschäftsführender Vorsitzender von Jes Bremen, beschrieb die Situation drogenabhängiger Strafgefangerner. „Spritzen sind ohnehin im Knast, ob nun legal oder illegal. Die Junkies schleifen die Spritzen immer wieder ab und benutzen gebrauchte Kanülen. Wir kennen Fälle, wo sich Gefangene den Stoff über angespitzte Kuli-Mienen in die Venen gedrückt haben.“

Die Forderung nach Spritzentausch ist nach Angben von Jes auch im Empfehlungskatalog der Weltgesundheitsorganisation WHO und der zuständigen EG- Kommission. „Nirgends ist das Infektionsrisiko so hoch wie im Knast“, erklärt Jes-Mitarbeiter Horst-Michael Murken. Ein Anstaltsleiter habe gegenüber den Gefangenen eine „Fürsorgepflicht“. Zweidrittel der Inhaftierten im Bremer Knast säßen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ein, entsprechend hoch sei die Quote der Abhängigen.

Hans-Henning Hoff, Anstaltsleiter der JVA Oslebshausen, erklärte auf Anfrage: „Wenn wir den Spritzentausch zulassen, geben wir den Häftlingen das Instrument für den Drogenkonsum, und der ist immer noch illegal.“ Die Abgabe von sauberen Spritzen passe nicht mit dem Resozialisierungsauftrag der JVA zusammen: „Es ist unsere Vollzugspolitik, den Drogenkonsum der Abhängigen zu reduzieren oder auf Null zu bringen“. Dagegen befürchtet Hoff, daß sich in einer Haftanstalt mit Spritzentausch der Drogenmarkt ausweiten würde. „Da wird es dann Händler geben, die den ersten Schuß gratis mit frischer Spritze anbieten, um ihr Geschäft zu beleben, und wir wissen, das der erste Schuß bei den meisten für eine Abhängigkeit ausreicht.“

Nach Hoffs Angaben sind zwischen 30 und 40 Prozent der Gefangenen im geschlossenen Vollzug von harten Drogen abhängig, von derzeit 255 etwa 100 Personen. „Gerade in der Haftsituation kommt es häufiger zu Streßsituationen, die die Abhängigen dadurch zu überwinden versuchen, daß sie sich regelrecht wegdrücken“, sagt Hoff. Die Politik der Anstalt bestehe darin, die Abhängigen in kleineren Vollzugsgruppen weniger Streß auszusetzen und in einer zahlenmäßigen Minderheit zu halten. Zusätzlich, so Hoff, würden die Abhängigen psychosozial betreut.

„Es ist nicht immer einfach, so eine brutale Entscheidung durchzusetzen, sagt Hoff weiter, Bremen habe sich aber entschieden, im Vollzug auf den Spritzentausch zu verzichten. „Aidsprophylaxe wird bei uns nicht zweitrangig behandelt, aber wir setzen da eher auf Beratung der Abhängigen. Spritzentausch muß für den Vollzug zurückstehen, das ist unser Weg.“ mad

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