: Ein Cafe mit politischem Hintersinn
■ Kapitalistische Ökonomie für oppositionelle Projekte: An der Technischen Universität hat das lange geplante Cafe Campus geöffnet / Die linke Initiative soll der Hochschule wieder ein Zentrum geben
Berlin. Azukibohneneintopf mit Bananenscheiben und Tofuwürfeln, an einem dezent graumelierten fünfeckigen Tisch in der kulturellen Atmosphäre eines Raumes eingenommen, den Skulpturen und Gemälde eines katholischen Künstlers aus Warschau zieren: So stellt man sich landläufig eine „rote Hölle“ nicht vor. Der soeben aus dem Amt geschiedene TU-Präsident Manfred Fricke kann beruhigt sein. Als vor sechs Jahren der TU-AStA zusammen mit Uni-Politikern aus der linken Reformfraktion eine Initiative startete, um ein Café auf dem TU- Campus einzurichten, hatte Fricke warnend den Zeigefinger gehoben: Eine „rote Hölle“ werde er nicht dulden. Anstelle der roten Hölle hat die TU-Linke nun der Universität ein Café beschert, das in seinem Stil traditionelle Schmuddelkulturlinke eher verschrecken dürfte, der Toskana- Fraktion der SPD hingegen wohl Freude bereiten würde. Seit vier Wochen hat das Café seine Pforten geöffnet: ein Restaurant mit einem anspruchsvollen Ernährungskonzept, aber auch mit politischem Hintersinn.
Wer im Café Campus speisen will, muß ein bißchen tiefer in die Tasche greifen als in den universitären Kantinen. Vor allem aber darf er oder sie nicht mit der Erwartung die Bestellkarte in die Hand nehmen, alles zu jeder Zeit bestellen zu können: Im Winter Erdbeeren aus Chile, das gibt's nicht, statt dessen saisonabhängige Früchte und Gemüse möglichst aus der Umgebung und möglichst aus biologischem Anbau. Das Speiseangebot ist ein Experiment: Das Café Campus will Vollwertkost so anbieten, daß sie den Ruch dröger Müslispeisung loswird und sich so „am Markt“ durchsetzt.
Der politische Anspruch des Cafés beschränkt sich aber nicht nur auf das (von einer Ernährungsberaterin angeleitete) Kost-Konzept. Vielmehr versucht die Uni- Linke, mit dem Café einen politischen Freiraum für alle möglichen kulturellen und politischen Initiativen zu schaffen, sie will den Konservativen zeigen, daß sie aus den schlechten Erfahrungen vergangener Jahre gelernt hat, daß sie nicht mehr auf bessere Zeiten und, vor allem, staatliche Unterstützung wartet, um linke Projekte aufzubauen, sondern daß sie es schafft, sich mit kapitalistischer Ökonomie selbst die wirtschaftliche Grundlage zur Durchsetzung linker Projekte zu erarbeiten. So wirtschaftet das Café wie jedes andere kommerzielle gewinnorientiert, aber seine Anteilseigner, weit über hundert Gesellschafter einer GmbH, ziehen keinen Gewinn aus den Erträgen. Vielmehr befinden die Gesellschafter darüber, in welche Projekte das Geld gesteckt wird.
Für Conrad Bönicke-Steffens, einen der programmatischen Vordenker beim Aufbau des Cafés, ist das ein verlockender Gedanke: Betriebswirtschaftsstudenten, die am Widerstand ihrer Professoren scheitern, wenn sie einen ökologisch orientierten Ökonomie-Professor in die Uni holen möchten, sie sollen sich in Zukunft ans Café Campus wenden können; dessen Gewinne könnten etwa dazu verwandt werden, eine Gastprofessur als Herausforderung für die bockigen TU-Lehrstuhlinhaber zu finanzieren. So soll das Café Möglichkeiten schaffen, oppositionelle Initiativen in der Universität zu fördern. Zugleich bietet es Raum für unterschiedlichste Veranstaltungen – sei es, daß Tutoren sich versammeln wollen, um Strategien für Tarifvertragskämpfe zu bereden, sei es, daß eine Studentin KommilitonInnen aus einem Germanistikseminar ihr Kabarett-Talent demonstrieren möchte oder ein Umweltschutzprofessor zum Abschluß eines Seminars seine StudentInnen einladen will, mit ihm Wanderlieder zu singen. Zu diesen und anderen Zwecken ist das Café mit einem gediegenen Hinterzimmer ausgestattet, das alle Hochschulangehörigen kostenlos mieten können.
Mit seinem Hinterzimmer macht sich das Café daran, das der TU fehlende Clubhaus zu ersetzen. Mehr noch: Es ist der Versuch, der Universität wieder eine Mitte zu geben, einen stilvollen Treffpunkt – in einer Zeit, da die Universität in Einzelteile und Einzelinteressen auseinanderfällt. Daß sich ausgerechnet die Uni-Linke daran macht und dabei politische Hintergedanken hat, war der TU-Verwaltung immerhin so zuwider, daß sie das Projekt mit bürokratischen Finessen jahrelang behindert hat. Nach einer Anlaufzeit soll das Café, das noch etwas versteckt hinter der AStA-Villa liegt, auch sichtbar die grüne Mitte des TU- Campus ausfüllen: mit einem großen Café-Garten und Jazzkonzerten auf der Wiese hinter den Bauklötzen der Architekten und Mathematiker. Winfried Sträter
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