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„Ich erwarte, daß wir in Kürze verhandeln“

■ Interview mit dem Verhandlungsführer der sächsischen Metallarbeitgeber, Hans Peter Münter, zu den Unternehmerforderungen im Tarifkonflikt in Ostdeutschland

taz: Herr Münter, die Urabstimmung der IG Metall hat ein eindeutiges Ergebnis erbracht. Wenn es bei der Kündigung des Tarifvertrages durch die Arbeitgeber bleibt, wird gestreikt. Sehen Sie noch eine Chance, den Arbeitskampf zu verhindern?

Hans Peter Münter: Nach dem Erfolg der Urabstimmung dürfte sich die IG Metall stark genug fühlen, um in Verhandlungen eine Lösung anzugehen. Aus Sachsen signalisiert die IG Metall schon Verhandlungsbereitschaft. Auf seiten aller ostdeutscher Metallarbeitgeberverbände bestand diese Verhandlungsbereitschaft seit der Kündigung des Tarifvertrages. Es geht jetzt darum, den Streik zu vermeiden und eine Verhandlungslösung zu finden, um Schaden von den ostdeutschen Ländern abzuwenden.

Die IG Metall hat ja vor der Urabstimmung Verhandlungsbereitschaft gezeigt. Nach dem Gespräch Ihres Vorgängers Erwin Hein und des Bezirksleiters Hasso Düvel bei Ministerpräsident Kurt Biedenkopf deutete sich doch am 4. April zunächst eine Einigung an. Die IG Metall war zu einer Streckung der vereinbarten Lohnanpassungen bereit. Dieses Angebot gilt nach wie vor. Kann man sich auf der Basis einigen?

Herr Hein war nicht mein Vorgänger, sondern Vorsitzender des Verbandes. Ich bin stellvertretender Vorsitzender und im Vorstand zuständig für die Tarifverhandlungen. Herr Hein hat vom Vorstand nie das Mandat zur Führung von Tarifverhandlungen bekommen.

Er hat als Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes bei dem Gespräch mit Biedenkopf zusammen mit dem IG-Metall-Bezirksleiter einen Weg zum Kompromiß gewiesen.

Bei diesem Gespräch wurde der Stufenplan für das Jahr 1993 bezüglich der Lohnhöhe bestätigt. Allein die Angleichung auf 100 Prozent sollte um 9 Monate auf den 1. Januar 1995 nach hinten verschoben werden. Für 1993 brachte dieser Vorschlag keinerlei Lösung.

Können Sie sich auf dieser Basis neue Gespräche vorstellen?

Das ist ein Anfang für Verhandlungen, doch die finden nicht bei Herrn Biedenkopf statt. Mir und unserem Verband ist in den vergangenen Wochen von der IG Metall kein Angebot gemacht worden, auf der Basis des Biedenkopf- Gespräches in weitere Verhandlungen einzutreten. Erst jetzt, nach der Urabstimmung, hat Herr Düvel diese Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Bei mir ist dieses Signal sehr gut angekommen, und ich erwarte, daß wir uns in Kürze treffen.

Was wollen sie dabei erreichen?

Wir wollen für unsere Mitgliedsfirmen ein wirtschaftlich noch erträgliches Ergebnis erreichen, das die Sicherung möglichst vieler Arbeitsplätze erlaubt. Dabei geht es nicht so sehr um eine konkrete Zahl – die Neun kann wirklich weg –, sondern erforderlich ist eine ökonomisch tragbare Regelung, die betriebliche Öffnungsklauseln enthält. Je höher die Lohnprozente, desto mehr Arbeitsplätze gehen verloren.

Die millionenfachen Arbeitsplatzverluste haben doch mit der Lohnhöhe kaum etwas zu tun, sondern sie sind das Resultat einer falschen Vereinigungspolitik – angefangen mit der Währungsunion.

Natürlich ist die Lohnhöhe nicht allein für die Massenarbeitslosigkeit verantwortlich, aber wenn wir jetzt 26 Prozent mehr Lohn für die Metallindustrie vereinbaren, gehen 70.000 der in dieser Branche noch vorhandenen 300.000 Arbeitsplätze verloren. Nur 10 Prozent unserer Unternehmen machen Gewinn. Eine weitere Belegschaftsverkleinerung ist in vielen Fällen nicht mehr möglich, weil das untere Level zur Aufrechterhaltung der Produktion erreicht ist. Da man während einer Rezession die Kosten über die Preise nicht reinholen kann, verursachen die mit dem vereinbarten Stufenvertrag einhergehende Kostenschübe zusätzliche Konkurse.

Nach den Turbulenzen im Arbeitgeberlager rund um das Biedenkopf-Gespräch, bezweifeln viele die Handlungsfreiheit des ostdeutschen Arbeitgeberverbandes. Herr Hein ist ja seinerzeit von der Gesamtmetallzentrale in Köln zurückgepfiffen worden und danach zurückgetreten.

Diese Darstellung trifft nicht zu. Die Initiative für die Kündigung des Stufentarifvertrages ging von den ostdeutschen Unternehmen aus, weil sie sich in Anbetracht der wirtschaftlichen Entwicklung nicht in der Lage sahen – und auch weiterhin nicht sehen – den 1991 vereinbarten Tarifsprung um 26 Prozent zu verkraften. Ich bin im Westen geboren und seit 1990 im Osten tätig, aber von unserem 23köpfigen Vorstand sind 18 in der DDR aufgewachsen. Höchstens 20 unserer 420 Mitgliedsfirmen werden von westlichen Unternehmern geführt. Die meisten sind aufgewachsene DDRler. Die haben deshalb nein gesagt, weil sie die Situation sehr genau kennen und einfach wissen, daß es so, wie 1991 vereinbart, nicht geht. An dem Montag nach dem Biedenkopf- Gespräch hat der Präsident von Gesamtmetall, Hans-Joachim Gottschol, im Sinne der großen Mehrheit der ostdeutschen Arbeitgeber gegenüber Herrn Biedenkopf erklärt, daß es sich um einen Alleingang von Herrn Hein gehandelt habe und er sich nicht vorstellen könne, daß der sächsische Verband diesem Vorschlag folgen werde. Unsere Mitglieder in Sachsen haben nahezu einstimmig die außerordentliche Kündigung des Stufentarifvertrages beschlossen, und daran waren die für den Verband handelnden Personen gebunden. Daran hat sich Herr Hein nicht gehalten. Glauben Sie, daß Herr Düvel heute noch Bezirksleiter der IG Metall wäre, wenn er bei dem Gespräch mit Herrn Biedenkopf eine Lohnerhöhung von 9 Prozent vereinbart hätte? Gewiß nicht, denn er hat sich genauso an die IG-Metall-Beschlüsse zu halten, wie wir den Auftrag unserer Mitglieder zu erfüllen haben.

Nach Auffassung des IG-Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler geht es den Arbeitgebern bei diesem Tarifkampf darum, die ökonomische Krise als „Brechstange“ für schon lange gewünschte politische und tarifvertragliche Veränderungen einzusetzen. Die mächtige Kölner Gesamtmetallzentrale instrumentalisiere für diesen Zweck die ostdeutschen Arbeitgeber. Sind sie im Osten die Brechstange der Westarbeitgeber?

Der Sprachgebrauch des Herrn Steinkühler wird immer maßloser – insbesondere am letzten Samstag in Leipzig. Auf diese Ebene begebe ich mich nicht. Der Weg zu den gleichen Lebensverhältnissen in Deutschland eröffnet sich nicht dadurch, daß man den Wohlstand West im Verhältnis eins zu eins in den Osten transferiert. Ost und West können in Deutschland nur dann erfolgreich zusammenwachsen, wenn alle zum Teilen bereit sind.

Daß die Arbeitgeber im Westen den Tarifkampf im Osten quasi als Versuchsballon für ihre eigenen, viel weiter reichenden Ziele ansehen, belegt eine Äußerung des Vorsitzenden des Metallarbeitgeberverbandes in Südwestdeutschland, Ernst Krauss. Der hat in einem Interview damit gedroht, im Südwesten den Tarifvertrag über die Arbeitszeitverkürzung auch außerordentlich zu kündigen, falls die IG Metall sich nicht zu einer Revision der vereinbarten 36-Stunden-Woche bereit finde.

Wir haben letzte Woche während einer Tagung aller Landesverbände von Gesamtmetall mit Herrn Krauss gesprochen. Die Position aller Verbände ist eindeutig: Der Vorgang in Ostdeutschland ist ein einmaliger Fall, weil auch die in Ostdeutschland eingetretene wirtschaftliche Situation einmalig ist. Alle Verbände von Gesamtmetall haben nirgendwo sonst die Absicht, durch außerordentliche Kündigungen von Tarifverträgen die Notbremse zu ziehen. Die Tarifverträge zur Arbeitszeitverkürzung im Westen enthalten Revisionsklauseln, und genau darauf bezogen sich die Äußerungen von Herrn Krauss. Sie haben absolut nichts mit einer außerordentlichen Kündigung zu tun. Interview: Walter Jakobs

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