piwik no script img

Hunger unter Jubas Mangobäumen

In Juba, der belagerten „Hauptstadt“ des Bürgerkrieges im Süd-Sudan, leben hauptsächlich mittellose Flüchtlinge / Der Tag besteht aus Weizenschnaps und Warten  ■ Aus Juba Khalil Abied

„Herzlich willkommen in der Provinz des Friedens“, steht in großen Buchstaben auf dem Transparent. Darunter stehen ein paar Dutzend Soldaten in gefleckten Uniformen. Sie haben Urlaub und warten auf das Flugzeug, das sie gen Norden zu ihren Familien zurückbringen soll. „Eigentlich sollte hier ein schöner, großer Flugplatz entstehen“, sagt Ali, ein junger Offizier. „Eine französische Firma hat hier gebaut, aber die Arbeit 1984 wegen des Bürgerkrieges eingestellt.“ Heute werden auf dem halbfertigen Flughafen nur Maschinen der Armee und der Hilfsorganisationen abgefertigt.

Juba ist auf den ersten Blick eine ruhige Stadt. Entspannt liegt sie im Schatten der Mangobäume. Die weißen Steinhäuser aus der britischen Kolonialzeit lassen für einen Moment die Illusion enstehen, hier habe sich seit Jahrzehnten nichts geändert. Heute wohnen reiche Händler und hohe Staatsangestellte in diesen Häusern, deren Bauart sich von der einheimischen Architektur grundsätzlich unterscheidet. Denn die meisten Stadtviertel bestehen aus runden Lehmhütten mit spitzen Strohdächern. Abends versammeln sich die Bewohner der Stadt um große Feuer im Freien, singen zum eintönigen Klang der Trommelmusik, tanzen und trinken Marisa und Araki – Hirsebier und Weizenschnaps.

„Laß dich nicht von der Schönheit der Natur und der Liebenswürdigkeit der Menschen täuschen“, sagt der Student Jacob. „Wir sind hier an einer vorgeschobenen Kampflinie der Front. 80 Prozent der 300.000 Menschen, die hier leben, sind Flüchtlinge. Wer auch nur über ein bißchen Geld verfügt, hat sich nach Khartum abgesetzt.“ Juba ist nicht nur Hauptstadt der Provinz Äquatorien, sondern auch Hauptstadt des Bürgerkrieges im Südsudan. In den wenigen offenen Geschäften gibt es nur das Nötigste zu kaufen. „Flugzeuge sind das einzige Transportmittel. Wegen der hohen Transportkosten ist hier alles dreimal so teuer wie in Khartum“, sagt ein Ladeninhaber. „Mit Ausnahme der Staatsangestellten und der Mitarbeiter internationaler Organisationen kauft niemand etwas.“

Auf dem Konyo-Konyo-Markt hingegen herrscht reges Treiben. Hier verkauft die Landbevölkerung aus der Umgebung Mangos, Tomaten, Okraschoten, getrockneten Fisch, Stoffe – und Billigkleidung „made in Taiwan“. Vor allem Frauen arbeiten hier. Manche tragen ihre Kinder auf dem Rücken. Man tauscht Ware gegen Ware, eine Mango gegen einen Fisch, ein Kilo Tomaten gegen ein Pfund Bamieh. „Der Bürgerkrieg hat alles zerstört und Hunderttausende von Leuten entwurzelt“, sagt ein einheimischer UNO-Mitarbeiter, „dabei haben wir sehr fruchtbaren Boden und rund zehn Millionen Stück Vieh. Hier in Äquatorien leben nur zwei Millionen Menschen. Ihr Leben besteht nur noch aus Warten – auf die Hilfslieferungen, zum Beispiel beim MTC-Lager.“

MTC heißt Medical Training Centre. Es besteht aus ein paar flachen Gebäuden, die seit Monaten geschlossen sind. Nicht weit davon entfernt warten Tausende von Menschen, denn heute werden wieder Nahrungsmittelrationen verteilt. Einige kommen mit Beuteln zurück, die mit roten Chilibohnen gefüllt sind. Ob man das essen könne, fragen sie einander erstaunt, oder ob das Viehfutter sei oder ob man daraus vielleicht Weizen-Araki brennen könne. Als sie einen ausländischen Journalisten erblicken, sammeln sie sich zu einer spontanen Demonstration und rufen wütend: „Sie geben jedem nur 50 Gramm pro Tag. Wir haben immer Hunger.“

„Juba ist eine Kampfzone“

Hinter dem Verteilungszentrum ist ein Flüchtlingslager entstanden. Tausende kleiner Hütten aus Lehm, Stoffetzen und Pappe. Statt Kleidern tragen die meisten Leute nur Fetzen. Ausgemergelte Kinder laufen zwischen den Hütten herum. In einer Ecke sitzt eine Gruppe von kleinen Mädchen. Sie haben zwei Äste über Kreuz gelegt und mit einem Stück Stoff eingewickelt: eine Puppe.

„Juba ist eine Kampfzone“, erklärt Hauptmann Tariq. Im letzten Sommer habe die SPLA versucht, die Stadt einzunehmen. „Sie haben als Flüchtlinge getarnte Leute in die Stadt eingeschleust. Aber es haben auch viele Bewohner der Stadt mit ihnen kollaboriert.“ In der Stadt erzählen die Leute, daß sie in diesem Krieg doppelt bestraft wurden: Die Bombardements durch Garangs Truppen hätte viele Opfer in der Zivilbevölkerung gekostet. Nach dem militärischen Sieg sei aber die Rache der Armee gefolgt. Dutzende seien verhaftet worden, manche standrechtlich erschossen. Das Umland sei in einem Radius von 100 Kilometern zur militärischen Sicherheitszone erklärt worden, die niemand ohne Erlaubnis betreten dürfe.

Ein Sprecher der Provinzregierung erklärt dazu, jetzt solle das Land Schritt für Schritt an die Bewohner und die Flüchtlinge verteilt werden. Aber über den Zeitpunkt schweigt er sich aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen