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Der alte viktorianische Glanz Von Ralf Sotscheck

Wie konnte das passieren? Da sind die Torys seit 14 Jahren an der Macht und haben in ihrem Privatisierungswahn fast das gesamte britische Familiensilber verscherbelt, doch die Königlichen Parkanlagen in London sind noch immer Staatseigentum. Vermutlich ist das den beamteten Krämerseelen entgangen, weil die Parks im Lauf der Jahre wie faule Eier von einer Behörde zur anderen geschoben wurden: vom Wald- und Forstamt zum Amt für öffentliche Bauten, dann zum Umweltministerium und schließlich zum Ministerium für kulturelles Erbe. Dabei kann man mit den Grünflächen durchaus ein paar Pfund verdienen. Sind sie erst mal privatisiert, kann den Schmarotzern das Handwerk gelegt werden. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum Alte und Arbeitslose kostenlos in den Parks herumlungern dürfen, während der Rest der Nation malochen muß.

Inzwischen hat die Regierung geschaltet und – wie es in Großbritannien üblich ist – zunächst einen Ausschuß eingesetzt. Dieser wiederum hat im vergangenen Monat David Welch zum Hauptgeschäftsführer der Königlichen Parks ernannt. Der Independent stellte fest, daß Welch „eindeutig ein Blumenliebhaber“ sei. Das ist eine wichtige Voraussetzung für den Job, doch ob das ausreicht? Welch scheinen jedenfalls vor lauter Enthusiasmus über seine neue Aufgabe die Sicherungen durchgebrannt zu sein. Er will den Abfall in den Parks von livriertem Personal mit Pferdewagen und schweren Zugtieren einsammeln und die Erholungssuchenden in Pferdekutschen durchs Gelände schleppen lassen, um den „alten viktorianischen Glanz“ wiederherzustellen. Für den Regent's Park hat Welch sich etwas Besonderes ausgedacht: Dort soll ein „riesiger überdachter englischer Paradiesgarten in Form eines neoviktorianischen Wintergartens“ entstehen. Den benachbarten Zoo, dessen Zukunft aufgrund der Finanzprobleme noch immer unsicher ist, will Welch disneymäßig zur Super-Live-Tiershow aufmotzen. Wenn es nach dem Regierungsausschuß geht, soll der Grüngürtel vom Regent's Park über St. James's Park, Green Park und Hyde Park bis zum Buckingham Palace ausgedehnt werden. Der Ausschuß hat dabei das Wohl der TouristInnen im Sinn. Er behauptet, die 15 Millionen Schaulustigen, die den Buckingham-Palast jedes Jahr von außen bestaunen, riskieren „Leben und Gesundheit“, weil der Verkehr dicht um den Palast herumtobt. Diese „Touristenfalle“ sei eine „nationale Schande“. Der 148 Seiten starke Bericht des Ausschusses hat auch die Aufmerksamkeit der Queen erregt, die noch immer darüber nachgrübelt, wie sie die Kosten für den Wiederaufbau des abgebrannten Windsor Castle auf andere abwälzen kann. Am vergangenen Donnerstag kam ihr die Idee: Fortan soll der Buckingham-Palast zwei Monate im Jahr Besuchern geöffnet werden – für einen bescheidenen Windsor-Aufbau- Beitrag von acht Pfund. Am 7. August geht's los. Elisabeth erwartet in diesem Jahr 400.000 zahlende Gäste. Nach unbestätigten Gerüchten sollen bereits Souvenir-T-Shirts mit ihrem Konterfei produziert werden. Und das Sonderangebot, sich mit Zepter und Krone auf dem Thron fotografieren zu lassen, dürfte mindestens das Geld für eine Bediensteten-Toilette in Windsor Castle einbringen.

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