: Italiens neue Regierung: Die übliche Bauchlandung
■ Parlament lehnt Aufhebung der Immunität von Ex-Sozialistenchef Craxi ab
Rom (taz) – Nach der Rekordzeit bei der Ministerauswahl – 48 Stunden – nun auch ein Rekord, was die Amtsdauer der Mitglieder der neuen italienischen Regierung angeht: noch keine vier Stunden vereidigt, traten bereits vier Mitglieder des „Technokraten“-Kabinetts des bisherigen Notenbankpräsidenten und designierten Regierungschefs Carlo Azeglio Ciampi wieder zurück. Der Grund: Das Parlament hatte in geheimer Abstimmung vier der fünf zur Debatte stehenden Anträge der Mailänder Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der Immunität des ehemaligen sozialistischen Parteichefs Bettino Craxi wegen Verstoßes gegen das Parteienfinanzierungsgesetz, Bestechlichkeit und Hehlerei abgelehnt. Daraufhin reichten drei der Demokratischen Partei der Linken zugehörige Minister sowie der Grüne Francesco Rutelli ihre Demission ein.
Auf den großen Plätzen in Rom und Mailand kam es bereits wenige Stunden nach der einhellig auch in der Presse als skandalös empfundenen Ablehnung der Immunitätsaufhebung zu großen, teilweise auf mehrere zehntausend Personen anschwellende Demonstrationen und Versammlungen. Aus der Sozialistischen Partei traten mehrere Führungsleute aus, darunter der angesehene ehemalige Umweltminister Ruffini; der christdemokratische Parteichef Martinazzoli lehnte es unmittelbar nach der Abstimmung sogar ab, überhaupt noch Verhandlungen über die Weiterführung der Regierung zu leiten. Seine eigene Fraktion hatte gegen seinen Rat wohl nahezu einstimmig gegen die Aufhebung der Immunität gestimmt.
Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro, der sofort nach dem Rücktritt der vier Minister mit dem designierten Regierungschef Ciampi konferierte, suchte die verfahrene Lage durch den Hinweis zu entkrampfen, daß die Immunitätsfrage eine parlamentarische Entscheidung sei, die mit der Regierung selbst nichts zu tun habe. Die Lage bleibt dennoch gespannt, wie die Feiern zum 1. Mai mit zahlreichen Angriffen auf Parlamentarier zeigten, wo auch immer diese sich nur sehen ließen. Vor allem aber muß Ciampi, dem erstmals die Einbindung bisher nie in der Regierung vertretenen Kräfte wie der Grünen und der Mehrheitsgruppierung der ehemaligen KP gelungen schien, nun um seine Mehrheit bei der Vertrauensabstimmung am kommenden Donnerstag fürchten.
Da die Linksdemokraten, die Grünen und auch die vorher für Ciampi eintretende Republikanische Partei ihr Vertrauen verweigern wollen, kommt zu der alten Vierparteienkoalition nur noch die Minigruppe des Radikalen Marco Pannella dazu. Ob das für eine absolute Mehrheit ausreichen wird, ist äußerst unklar. Eine ganze Anzahl von Mitgliedern der Koalition haben bereits angemeldet, sich ihr Votum erst noch gründlich überlegen zu wollen, und einige, wie Ruffini, sind schon jetzt zum Nein entschlossen.
So ist Ciampi nun genau zu jenem Schritt gezwungen, den er um jeden Preis vermeiden wollte: mit den Vorsitzenden der Parteien beziehungsweise Fraktionen verhandeln und um ihre Zustimmung buhlen zu müssen. Bei der Übernahme seines Auftrags aber hatte er gerade die Verweigerung gegenüber der „Parteienherrschaft“ als das Credo seiner Regierung ausgegeben. Werner Raith
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