: Bremer Filz-Ausschuß unter Strom
Ausschußvorsitzender Barsuhn (SPD) zurückgetreten: Erkenntnisse über Geldschiebereien, über die der Ausschuß aus der Zeitung erfuhr, lagerten in seinen Akten zu Hause ■ Aus Bremen Klaus Wolschner
Am Freitag morgen ist der Vorsitzende des Bremer parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der das Spendengebahren der Bremer Stadtwerke-AG und die Versorgung des Bürgermeisters mit Strom zum Werktarif aufklären soll, zurückgetreten.
Hintergrund des Rücktritts war die Tatsache, daß jetzt erst ein Protokoll des Unterbezirksvorstandes der SPD Bremen-West bekannt geworden war, nach der dieses SPD-Gremium am 25. Juni 1992 Kenntnis von der Stadtwerke- Spende an die Bonner SPD hatte und dort über die notwendige Rückzahlung der Spende berichtet worden war.
Vor dem Ausschuß hatte der Vorstandsvorsitzende der komunalen Stadtwerke, Günther Czichon, am Donnerstag berichtet, er selbst habe im August um die Rücküberweisung gebeten. Daß vorher schon in der Bremer SPD diese Angelegenheit ein Thema gewesen war, erfuhren die Mitglieder des Ausschusses aus der Zeitung.
Nach der Veröffentlichung des Sitzungsthemas hat der SPD-Politiker Barsuhn zu Hause in seinen Unterlagen das entsprechende Protokoll gefunden. Er habe es möglicherweise gelesen, dessen Inhalt aber nicht mehr präsent gehabt, erklärte Barsuhn dazu.
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses wollten die von Barsuhn am Freitag gestellte Vertrauensfrage erst nach Beratung in der kommenden Woche entscheiden. Barsuhn erklärte daraufhin seinen Rücktritt. Mit ihm trat ein weiteres Ausschußmitglied zurück, das ebenfalls Miglied des betroffenen Unterbezirksvorstandes ist und den Inhalt des Protokolls vergessen hatte.
Die Spendenaffäre ist deshalb für die Bremer SPD ein politischer Sprengsatz, weil nach Darstellung der Stadtwerke diese Spende nichts mit Finanznöten der Bremer Landesorganisation nach dem verlorenen Wahlkampf für den Bürgermeister Klaus Wedemeier zu tun haben soll. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist der Bürgermeister Wedemeier. Daß Bremer SPD-Gremien über die Rückzahlung der Spende an die Stadtwerke geredet haben, könnte den Verdacht bestätigen, daß mit der Stadtwerke-Spende nach Bonn doch letztlich Bremer SPD-Wahlkampfkosten beglichen werden sollten.
Für nächsten Freitag ist der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans- Ulrich Klose vor den Bremer Billigstrom- und Stadtwerke-Untersuchungsausschuß geladen.
Der Bremer Bürgermeister hat, das haben Vernehmungen in den vergangenen Tagen ergeben, dem Landesparlament am 27.8.1992 unwahre Angaben über seinen Bezug von „Billigstrom“ gemacht. Wedemeier bezog sich dabei auf bestellte Informationen des Stadtwerke-Vorstandsmitgliedes Willipinski, der dem Bürgermeister in einem Brief am 24.8.1992 verschwiegen hatte, daß er erst am 20.8. den Billigtarif abgestellt hatte.
In seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender hat Wedemeier bisher keine Konsequenzen gegen sein Vorstandsmitglied gezogen. Während der Ausschußsitzung hatte CDU-Ausschußmitglied Niederbremer den Verdacht geäußert, daß Wedemeier nicht die volle Wahrheit sage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen