: Harem aus der Trickkiste
■ Mäßig spannende Premiere von "Die Entführung aus dem Serail" an der Oper
an der Oper
Die Oper als Handpuppenbühne in riesig, der Regisseur als Puppenspieler, das Publikum erwachsenene Kinder, das Spiel kann beginnen. Johannes Schaaf greift bei seiner Inszenierung von Mozarts Die Entführung aus dem Serail in die Trickkiste. Die ist orange, meterhoch und steht zentral im Bühnenraum. Verschiebbare Wände sollen ihr perspektivischen Budenzauber entlocken, doch im Verlauf von dreieinhalb Stunden enstehen nur einige karge Räume ohne jede Magie. Rechts und links stellt Ausstatter Wolfgang Gussmann einige ebenso hohe Scherenschnitt-Palmen hin, die gerne Aufzug fahren. Dies Wenige wird dann vor ein Transparent gestellt, das in verschiedenen Blautönen lächelt. Fertig ist eine von zwei Ausstattungsideen des Wolfgang Gussmann (die andere ist ein Karussel).
Es ist eine Idee mit Folgen. Denn die schlichte, übergroße und monotone Flächigkeit, an der man sich innerhalb eines Aktes sattgesehen hat, verengt die Konzentration nahezu gnadenlos auf die darstellerische Leistung der Akteure. Und schauspielern können von den anwesenden Sängern nur zwei. Kurt Moll verleiht dem Haremswärter Osmin eine seltene menschliche Größe, die der stupiden Darstellung des rasenden Büttels, der bei weiblicher Schmähung zum Waschlappen wird, so gesegnet widerspricht. Und Hellen Kwon als Mädchen Blonde versprüht freches Esprit für drei komische Opern. Entsprechend ist ihr Aufeinandertreffen im ersten Bild des zweiten Aufzugs der packende Höhepunkt einer unspektakulären Inszenierung.
Dagegen erfriert die „Leidenschaft“ von Belmonte und Konstanze in leeren Gesten. Kurt Streit gibt den ungestümen Liebhaber Belmonte im Burschenschafts-Format und Catherine Naglestadts konstanzisches Verlangen nach dem blond gelockten Studentchen stammt anscheinend direkt aus dem Gefrierfach. Wie die Taten, so die Stimmen: Die verkrampft wirkende Amerikanerin sang bei ihrem Europa-Debüt kühl und emotionslos und Streits kehlige Vortragskunst blieb oft ein schmerzlich banales
1Vexierbild von Mozarts Arien.
Dagegen demonstrierte Kurt Moll selbst in den tiefsten Basslagen noch lässig, wie sich Wolferls Feuer sängerisch interpretieren läßt. Doch daß ausgerechnet der würdigste Sänger den musikalischen Eros Mozarts hochhielt, das spiegelte sich doch wahrlich grotesk im Lack seiner jungen Partner. Zwar bekämpfte der „Türke“ Moll mit der ihm eigenen Natürlichkeit den ihn umgebenden sängerischen Unglauben gegenüber der Pathos- Feindlichkeit von Mozarts Musik,
1doch umsonst. Mozarts musikalische Liebeserklärung an seine spätere Frau Konstanze Weber erstickte in Altklugheit.
Von dieser schien auch Claus Peter Flor inspiriert gewesen zu sein. Zu Temperamentlosigkeit und samtigem Klang verdonnert, verloren die Philharmoniker unter seinem Stock doch gelegentlich die
1rhythmische Konzentration. Ihn traf ebenso die Buh-Strafe wie Regisseur Schaaf, der sich selbst in der Sprechrolle des weisen Selim Bassa schleunigst umbesetzen sollte. Zwar sieht Schaaf gut aus, aber auf die Peinlichkeit seiner Sprechversuche sollte er vielleicht vom Haus dezent-freundschaftlich hingewiesen werden. Till Briegleb
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