Rhapsody In Fun

■ Das Willem Breuker Kollektief war Sonntag in den Weserterrassen

Das Kollektief holt einmal tief Luft und bläst sie einfach über den Haufen: all die musikalischen Hierarchien; die Grenzbefestigungen zwischen klassischem Orchesterwerk und Gassenhauer, zwischen Free Jazz und Jahrmarktsmusik, zwischen seriöser Kunst und hemmungslosem Blödsinn. Modest Mussorskijs „Bilder einer Ausstellung“ wurden etwa von den elf Musikern des Ensembles mit philharmonischer Präzison gespielt, aber dann schien sich eines der Klanggemälde plötzlich in die gruselige Titelseite eines Groschenromans zu verwandeln, und das nächste Thema des klassischen Werkes erklang mit Schmackes als brachialer Bigbandsatz.

Zwischen Filmmusik von Enrico Morricone, Kletzmerklängen, Jahrmarktsmärschen und lupenreiner Swingmusik aus der goldenen Big Band Aera oszillierte die Band mit einer phantastischen Schnelligkeit und Präzision. Das Konzert war voll von solchen überraschenden Wendungen, gewagten Brüchen und Clownerien.

Willem Breuker spielte auf dem Saxophon eine spöttische Parodie auf die ausufernden Soli des Free Jazz: komplett mit dem enervierend langen Suchen nach den rechten Tönen, der genialistischen Körpersprache und dem immer gleichen tiefen Ton, der dem Publikum jedesmal wieder als neue, große Entdeckung präsentiert wurde. Gleich dannach spielte dann ein anderer Saxophonist ohne mit den Wimpern zu zucken und ganz ernsthaft ein grandioses freies Solo.

Diese Fallhöhe zwischen den zum Teil sehr albernen Aktionen der Musiker auf und vor der Bühne und der hochintelligenten, oft extrem schwer zu spielenden Musik macht den besonderen Reiz der Auftritte von Willem Breuker aus. Die Saugnäpfe, die die Trompeter als Dämpfer benutzten, klebten natürlich plötzlich auf ihren Glatzen, und bei der Schnulze „Give all my love to you“ ging Breuker mit einem Putzlappen ins Publikum, um dort die Schuhe der Zuhörer zu polieren.

Oft war man hin und hergerissen zwischen dem visuellen Slapstick und den musikalischen Feinheiten. Wie sollte man sich gebührend dem Flötensolo von Alex Coke widmen, wenn direkt hinter ihm die Saxophonisten mit einem Ball ihre Instrumente zustopften? Das fragt sich:

Willy Taub