: War die Ermordung von Ercan S. lange geplant?
■ Freunde des Getöteten: Schießerei am Kottbusser Damm war kein interner Streit
Neukölln. Werden in Berlin Auseinandersetzungen ausgetragen, die ihren Ursprung in der Türkei haben? Jüngstes Beispiel ist die Schießerei am Abend des 1. Mai an der Ecke Kottbusser Damm/Lenaustraße. Getroffen wurde der 25jährige in Mariendorf lebende türkische Staatsangehörige Ercan S. Er starb wenig später, gegen 20 Uhr, im Urban-Krankenhaus. Nach Angaben der Polizei sind die tödlichen Schüsse Ergebnis eines Flügelkampfes innerhalb der sowohl in der Türkei als auch in der Bundesrepublik verbotenen Organisation „Devrimci Sol“ (Dev Sol/ Revolutionäre Linke). An der Auseinandersetzung am 1. Mai seien zwei Gruppen mit je 15 beziehungsweise 20 Personen beteiligt gewesen. 20 Personen nahm die Polizei fest; 18 von ihnen sitzen unter dem Vorwurf des Landfriedensbruchs und Mordes in Untersuchungshaft, sagte Justizsprecher Rautenberg. Wegen des politischen Hintergrunds ermittelt jetzt der Staatsschutz der Polizei. Die gleiche Gruppierung habe sich bereits am 16. und 17. April am Hermannplatz sowie am Hohenstaufenplatz mit Waffen bekämpft.
Hintergrund der akuten Auseinandersetzungen innerhalb der „Dev Sol“ sind nach Ansicht von Heinz Annußek, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, interne Kontroversen in Istanbul über Sicherheitslücken in der konspirativ arbeitenden Organisation. Denn Anfang März seien zahlreiche „Dev Sol“-Mitglieder in der Türkei festgenommen, ein weiteres von der Polizei erschossen worden. Dieser Streit um das Versagen der Organisation in Istanbul sei jetzt auf Deutschland übergeschwappt.
Von einem mit Waffengewalt ausgefochtenen Streit „innerhalb“ der „Dev Sol“ könne keine Rede sein, sagten hingegen gestern Freunde von Ercan S. der taz. Nach ihren Angaben hat sich folgendes zugetragen. Ercan S., Vorstandsmitglied des „Volkshauses Berlin“, sei mit anderen Vereinsmitgliedern am Abend des 1. Mai von einer Demonstration aus Köln zurückgekommen. Bei ihrer Rückkehr fanden sie das „Volkshaus“ von 25 größtenteils in Westdeutschland lebenden Anhängern des „Banditen Duras K.“ besetzt. Dieser Mann sei bis September 1992 Leiter von „Dev Sol“ gewesen und habe seine Amtsenthebung nie akzeptiert. Seine „Banditen“ hätten gezielt auf den unbewaffneten Ercan S., der selber nicht Mitglied von „Dev Sol“ ist, geschossen. „Ein Blutbad war geplant.“ Für seine Freunde stellt sich nun die Frage, ob die Polizei die aus Köln zurückkehrenden Vereinsmitglieder „bewußt in eine Falle habe laufen lassen“. Denn die gewalttätige Besetzung des Büros sei von Zivilpolizisten beobachtet worden. Eingegriffen hätten sie erst nach der Schießerei. aku
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen