Der nackte Hitler

■ Aus Hermann Guttmanns „Die Böttcherstraße“

DER NACKTE HITLER

Einige BDM-Mädel in Uniform standen vor der Böttcherstraße. Eines der Mädchen fragte zaghaft: „Wollen wir hineingehen?“

„Nein“, sagte die Führerin, nicht viel älter als die anderen Mädchen. „Das dürfen wir nicht“.

„Warum nicht?“

„Es ist verboten!“

Nach dieser erschöpfenden Auskunft trat zunächst ein Schweigen ein. Die Mädchen guckten neugierig in die Straße hinein, und eines von ihnen guckte hin

auf zu dem Heilbringerrelief, das sich über dem Eingang der Böttcherstraße befindet.

„Wer ist das?“, fragte das Mädchen.

Und die Führerin sagte: „Das ist es ja, darum dürfen wir nicht rein. Das ist doch Hitler, nackend, wie er die Kommunisten vertreibt.“

Aus: Hermann Guttmann, Die Böttcherstraße. Ein Lesebuch. Johann Heinrich Döll Verlag, Bremen 1993