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Chefs veruntreuen, Belegschaft darf zahlen

■ Skandal bei Otto-Benecke-Stiftung wirft Schatten: 1.000 MitarbeiterInnen fürchten Konkurs und bangen um Gehalt

Berlin. Nahezu 1.000 MitarbeiterInnen, ABMler und Auszubildende bangen bei der „Gesellschaft für berufsspezifische Ausbildung“ (GFBA) in Berlin um ihre Zukunft. Die bundesweit an rund zwei dutzend Standorten tätige GFBA steht offenbar vor dem Konkurs. In der Bonner GFBA- Zentrale räumte der GFBA-Geschäftsführer Brenneisen am Montag ein, daß die Zahlung der Gehälter im Mai nicht gesichert sei. Der GFBA-Vorstand kündigte an, zur Sanierung diverse Ausbildungszentren zu schließen und Massenentlassungen einzuleiten. „Die da oben veruntreuen Millionen, und wir dürfen nun die Zeche bezahlen“, empörte sich gestern ein Berliner Mitarbeiter.

Die dubiosen Vorgänge bei der GFBA und ihrer Mutterorganisation, der Otto-Benecke-Stiftung, waren vor zwei Jahren durch taz- Recherchen aufgedeckt worden. Über die Jahre hatte die Stiftung, abgeschirmt durch persönliche Verflechtungen im politischen Raum, nahezu unkontrolliert fast eine Milliarde Mark an Steuergeldern erhalten. Dabei gab es zahlreiche Verfehlungen bei der Geldverwendung und auch private Bereicherung der Führungsspitze. Das Geld wurde in diverse Tochterfirmen wie der GFBA weitergeleitet, die der Kontrolle des Bundesrechnungshofes entzogen waren. Nach Aufdeckung der Machenschaften durch die taz mußte die Führungsspitze abtreten; ein Ex-Vorständler, der sich für seine ehrenamtliche Tätigkeit innerhalb weniger Monate auf Schleichwegen rund eine Million Mark auszahlen ließ, ist seitdem abgetaucht.

In Berlin betreibt die GFBA unter anderem Ausbildungs-Werkstätten und Umschulungsprojekte. Hinzu kommen etliche Betriebe, in denen Hunderte von ABM-Kräften arbeiten: Unter anderem entwickelt die „Ideenschmiede“ mit 80 hochqualifizierten ABMlern Produktideen bis zur Patentreife, das Frauenprojekt „Papyra“ bietet erfolgreich Verwaltungs-Dienstleistungen an, und rund 100 ABMler konstruieren und bauen Spezialfahrräder für Behinderte. Im Stahlwerk Hennigsdorf bei Berlin unterhält die GFBA ein Umschulungszentrum für arbeitslos gewordene Stahlkocher.

Seit die Ministerien den Geldhahn zugedreht haben, bangen die Beschäftigten an allen Standorten um ihre Arbeitsplätze. Der Betriebsrat in Berlin wirft der GFBA- Führung vor, sie verhindere lokale Konzeptionen zur Rettung des Unternehmens. Angestrebt werde vielmehr, lukrative Projekte herauszulösen und den Rest der Berliner GFBA in Konkurs gehen zu lassen. Der Betriebsrat befürwortet dagegen die Gründung einer eigenständigen Auffanggesellschaft, die sämtliche Beschäftigte mit den alten Rechten übernimmt. Entfalle die Finanzierung des Bonner „Verwaltungswasserkopfes“, so argumentieren Betriebsratsmitglieder, seien die Berliner Projekte kostendeckend.

Der GFBA-Vorstand unterstützte Ende 1992 die Gründung einer Auffanggesellschaft ausdrücklich. Kürzlich aber hat man in Bonn angesichts der leeren Kassen einen Kurswechsel vorgenommen. So wurde vorletzte Woche die Berliner GFBA-Leitung suspendiert – wenige Tage nachdem diese den neuen Träger gegründet hatten. Dies wird beim Betriebsrat als Signal gewertet, daß nun auf den für die GFBA „billigen“ Konkurs gesetzt wird. Schließlich müßte die GFBA bei der Gründung einer neuen Gesellchaft erhebliche Kosten übernehmen.

Eine Aufklärung der verfahrenen Situation ist auch von der GFBA-Mutter, der Otto-Benecke-Stiftung, nicht zu erhalten. „Wie es weitergeht mit der GFBA, ist eine Preisfrage“, gesteht OBS- Sprecher Stratmann ein. Er weist zugleich den Vorwurf zurück, man lasse die GFBA „ausbluten“. Das zentrale Problem sei vielmehr, daß es der GFBA in den letzten Jahren nicht gelungen sei, die zu groß geratenen Kapazitäten „zurückzuschrauben“. Unerwähnt läßt er, daß dafür die OBS-Spitze verantwortlich war. Gerd Nowakowski

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