Flächenverbrauch und Ausländerpolitik

■ Interview mit dem nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Friedhelm Farthmann (SPD), der einen weiteren Zuzug von Ausländern ablehnt

taz: Herr Fahrtmann, vor zwei Monaten haben Sie in einer Stellungnahme erklärt, daß Deutschland kein Einwanderungsland sein oder bleiben darf. Wieso ist es für die deutsche Politik immer von so großer Bedeutung gewesen zu betonen, daß Deutschland kein Einwanderungsland ist?

Friedhelm Farthmann: Weil es Streit gibt in Deutschland in der Ausländerdiskussion über den Begriff des Einwanderungslandes. Man kann mit einem gewissen Recht sagen, daß wir in den letzten 20 oder 30 Jahren ein Einwanderungsland gewesen sind, weil wir viele Millionen ausländische Arbeitnehmer hierher geholt und hierher gelockt haben. Wer das als Einwanderung bezeichnen will, der kann dann auch von Deutschland als Einwanderungsland sprechen. Ich streite mich nicht um den Begriff. Ich will damit nur deutlich machen, daß eine weitere Zuwanderung nach Deutschland nicht gut ist für uns.

Wer ist mit „wir“ gemeint?

Mit „wir“ sind natürlich die Deutschen gemeint. Für uns Deutsche ist es nicht gut, weil wir eines der dichtbesiedelsten Länder dieser Welt sind und weil wir es als große Chance begreifen sollten, daß das sogenannte generative Verhalten der deutschen Bürger dazu führt, daß wir weniger Kinder haben als wir an sich zur Erhaltung der vollen Bevölkerungszahl bräuchten. Wenn dann unser Land in Zukunft etwas dünner besiedelt würde, dann wäre das besser und nicht schlechter. Da gibt es ja die absurdesten Behauptungen, die meinen, wir müßten Zuzug deshalb zulassen, damit die Renten gesichert würden. Das halte ich alles für völlig unsinnig.

Sie argumentieren, daß der Zuzug von Ausländern eine Belastung für die Umwelt bedeutet. Wo ist der Zusammenhang?

Die größte Belastung für die Umwelt ist in der ganzen Welt und auch hier in Deutschland die große Zahl von Menschen. Deswegen bin ich der Meinung, daß wir die Bevölkerungsdichte nicht noch zusätzlich erhöhen, sondern versuchen sollten, zu reduzieren. Denn jeder Mensch weiß – und das hat nichts mit Aus- oder Inländern zu tun – daß jede Million Menschen bei unserem Lebensstandard soundsoviel mehr Autos, soundsoviel Energieverbrauch, soundsoviel Flächenverbrauch, soundsoviel Wohnungen und soundsoviel zusätzlichen Abfall bedeutet.

Sehen Sie generell eine Gefahr, daß Fragen der Ökologie in der Diskussion ums Asylrecht mißbraucht werden?

Ich habe den Eindruck, daß die Ausländerproblematik mit der Umweltproblematik bis auf meine Äußerungen überhaupt nicht in Verbindung gebracht worden ist. Mir liegt überhaupt nicht daran, irgendein Argument gegen die Ausländer zu schmieden, sondern die Politik und die Bevölkerung davor zu warnen, eine weitere Bevölkerungsdichte anzustreben. Ich bin einmal gefragt worden, was ich für das größte Unglück dieser Welt hielte. Da habe ich gesagt: der ungebremste Bevölkerungszuwachs, weil ich in der Tat glaube, daß die Milliarden Menschen, die zuwachsen, die Umweltprobleme schlechthin unbeherrschbar machen. Das gilt im besonderen Maße für ein so dichtbesiedeltes Land wie Deutschland. Deswegen halte ich es für absurd, wenn gemeint wird, zur Sicherung der Renten oder des Wirtschaftswachstums müßten wir aus der ganzen Welt Ausländer zu uns einladen.

Der bayerische Umweltminister Peter Gauweiler (CSU) sagt: „Wer unser ohnehin dichtbesiedeltes Land zum Einwanderungsland machen will, gibt das umweltpolitische Ziel, den Flächenverbrauch zu begrenzen, auf.“ Können Sie der Aussage zustimmen und können Sie verstehen, wenn Organisationen und Vereine von Ausländern in diesen Aussagen ausländerfeindliche Grundsätze ausmachen?

Ich teile Gauweilers Ansichten im großen und ganzen. Darüberhinaus habe ich immer den Standpunkt vertreten, daß alle Ausländer, die hier sind, den gleichen Anspruch auf Menschenrechte, Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit haben wie wir Deutsche...

Auch den Anspruch auf Flächenverbrauch?

Was hat denn Flächenverbrauch mit körperlicher Unversehrheit von Ausländern zu tun! Ausländer, die bei uns sind, aus welchen Gründen auch immer, egal ob zu Recht oder zu Unrecht, verdienen den gleichen Menschenschutz wie alle anderen auch. Wenn wir das als Deutsche nicht anerkennen, dann blamieren wir uns in der ganzen Welt und dann haben wir aufgehört, ein zivilisiertes Land zu sein. Interview: Hakan Songur