Teure Neubauprogramme

■ Bündnis 90/Grüne werfen Bausenator Vernachlässigung der Altbausanierung und Fixierung auf Wohnungsneubau vor

Berlin. „Geld, das in die Stadterneuerung investiert wird, ist gespartes Geld.“ Getreu dieser Maxime des obersten Altbausanierers der Internationalen Bauausstellung, Hardt-Waltherr Hämer, fordert das Bündnis 90/ Grüne eine Umorientierung in der Wohnungsbaupolitik. Die zuständigen Sprecherinnen der Fraktion, Elisabeth Ziemer und Michaele Schreyer, warfen gestern Bausenator Nagel vor, die Altbausanierung zu vernachlässigen und mit seiner Fixierung auf den Wohnungsneubau falsche Prioritäten gesetzt zu haben. Mit dieser einseitigen Festlegung versorge er, so Ziemers Vorwurf, große Baufirmen mit Geldern, von denen er in den Zeiten, als er noch baupolitischer Sprecher der SPD war, nichts wissen wollte. Andererseits betreibe er sehenden Auges die Verdrängung von Mietern aus der Innenstadt.

Die beiden Sprecherinnen bemängelten, daß immer weniger öffentliche Mittel in den Erhalt der Altbausubstanz investiert werden, um statt dessen vergleichsweise teurere Neubauprogramme zu finanzieren. So sei die Summe, die von der Wohnungsbaukreditanstalt für Modernisierung und Instandsetzung bereitgestellt werde, von 1,09 Milliarden Mark im Jahr 1991 auf 690 Millionen Mark in diesem Jahr gesunken.

Für Programme der Mietermodernisierung hätten 1992 21.229 Anträge mit einem Gesamtförderbedarf von 90 Millionen Mark vorgelegen, im Landeshaushalt hätten dafür jedoch nur 30 Millionen Mark bereitgestanden. Die gleiche Summe stehe auch 1993 zur Verfügung, obgleich aus dem Vorjahr ein Bedarfsüberhang von 56 Millionen Mark existiere. Die Summe reiche folglich noch nicht einmal, die Altanträge zu befriedigen, neue würden nicht bearbeitet.

Bei der Förderung von Projekten in der Altbausanierung werden, so lautet ein weiterer Vorwurf von Bündnis 90/ Grüne, private Träger bevorzugt und Selbsthilfeinitiativen ausgeklammert. Bei einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 15 Prozent müßte die Erneuerung mit Beschäftigungsprojekten verbunden werden.

Wenn dieser Tendenz nicht entgegengesteuert werde, so Schreyers Befürchtung, drohe eine Entmischung der Bevölkerung und Verslumung der Innenstadtbezirke. Ihrer Meinung nach würde eine Verlagerung der Finanzierungsschwerpunkte vom Neu- zum Altbau eine optimalere Nutzung der öffentlichen Gelder bedeuten, denn während eine umfassende Altbausanierung bis zu 280.000 Mark pro Wohnung koste, schlage eine Neubauwohung mit 600.000 Mark zu Buche. Diese Summe würde zur Hälfte mit öffentlichen Geldern bezuschußt, damit die Mietpreise für einen Zeitraum von 15 Jahren gebunden bleiben. Bei so geringen sozialen Effekten hält es Schreyer für gerechtfertigt, um das Neubauprogramm des Senats zu realisieren, stärker auch private Finanzmittel einzubeziehen.

In der Bauverwaltung mag man den Vorwurf von Bündnis 90/ Grüne nicht teilen. Ihr Sprecher Ralf Schlichtung wirft den OppositionspolitikerInnen vielmehr vor, mit falschen Zahlen zu operieren. Immerhin habe man 1992 1,2 Milliarden Mark für Stadterneuerung bereitgestellt, dieser Betrag sei auch voll abgerufen worden. Allerdings betrug dieser Haushaltsposten ein Jahr zuvor noch 400 Millionen Mark mehr. dr