piwik no script img

IOC-Samaranch läßt NOK-Daume sitzen

■ Chef des Olympischen Komitees sagt Besuch in Berlin ab / NOlympioniken soll kein Anlaß für Aktionen geboten werden

Berlin. „Wann fällt die Entscheidung zur Vergabe der Olympischen Spiele im Jahr 2000?“ heißt es in einem Quiz („Bitte Antwort ankreuzen“) aus Anlaß des Olympia-Jahrmarkts, der bis Sonntag neben dem Roten Rathaus stattfindet. Das Datum vom 6. Mai ist auf der Antwortkarte nicht angegeben – ein Irrtum?

An diesem Tag, dem vorgestrigen Donnerstag nämlich wurde bekannt, daß Juan Antonio Samaranch, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), am 24. Mai nicht – wie geplant – Willi Daume, dem langjährigen Vorsitzenden des deutschen Olympischen Komitees (NOK), in Berlin zum 80. Geburtstag gratulieren wird. Verschoben werden soll auch die vorgesehene Verleihung des Olympischen Ordens in Gold an den Jubilar. Die Begründung: Samaranch wolle den Berliner Olympiagegnern keine Gelegenheit zu Demonstrationen geben.

Der IOC-Präsident habe einfach keine Zeit zum Besuch, betonte Axel Nawrocki, Chef der Olympia GmbH, am Rande der Jahrmarktseröffnung mehrfach. Der Spanier werde zu einem anderen Zeitpunkt nach Berlin kommen. Der Frage nach Samaranchs Gründen wich ein zunehmend erregter Nawrocki mehrfach aus: „Ich habe keine Sicherheitsbedenken. Es werden auch in Zukunft keine faulen Eier geschmissen werden – von militanten Verbrechern.“ Eberhard Diepgen, der sich auf dem sonnigen Platz neben dem Roten Rathaus am Olympia- GmbH-Chef vorbeidrängte, mischte sich mit einer anderen Erklärung ein: „Schreiben Sie: Der Samaranch kann den Daume nicht leiden.“

Willi Daume jedenfalls mutmaßte gestern in einem Telefongespräch mit der taz, daß das Attentat auf die Tennisspielerin Monica Seles am Hamburger Rothenbaum in der vergangenen Woche Samaranch zu seiner Absage bewogen haben könnte. „Vielleicht hat ihm auch Gunnar Ericsson (Präsident der Prüfungskommission des IOC – d. Red.) abgeraten, nach Berlin zu kommen.“ Der habe möglicherweise wegen der Demonstration der Olympiagegner während seines Besuchs einen negativen Eindruck von der Bewerberstadt gehabt. Er sei persönlich über die Absage von Samaranch nicht enttäuscht. Allerdings habe es Berlin nicht verdient, als „unsichere Stadt“ hingestellt zu werden.

Im Roten Rathaus gab man sich gestern indes gelassen. Diepgens Pressesprecher Eduard Heußen verwies darauf, daß es während des Besuchs der Prüfungskommission Mitte April keine Sicherheitsprobleme gegeben habe. Er glaube vielmehr, daß Samaranch darauf verzichten wolle, Berlin eine herausgehobene Stellung unter den Mitbewerberstädten zu geben.

Der Pressesprecher Samaranchs, Jose Sotello, bestätigte gestern gegenüber der taz den offiziellen Absagegrund. Einen neuen Termin für einen Berlin-Besuch seines Chefs konnte er allerdings nicht nennen. Sotello widersprach Daumes Vermutung, daß das Seles-Attentat mit der Absage im Zusammenhang stehe: „Das ist völlig aus der Luft gegriffen.“

Bei den Olympiagegnern löste Samaranchs Schritt naturgemäß Freude aus. „Berlin dankt Samaranch“, formulierte gestern die Berliner PDS anläßlich der Geburtstagsabsage. Daß Berlin wegen „Demonstrationsgefahr“ gemieden werde, sei ein überdeutliches Zeichen für die Beendigung des „sinnlosen Treibens“ der Olympiabefürworter. Autonome Gruppen hatten bereits am 1. Mai zu einer Demonstration gegen den Samaranch-Besuch aufgerufen. Von einem Lautsprecherwagen war dazu aufgefordert worden, dem IOC-Chef einen „entsprechenden Empfang“ zu bereiten.

Auf dem Olympia-Jahrmarkt jedenfalls rief gestern die Leiterin des MDR-Fernsehballetts ihren Tänzerinnen einen Satz zu, der sich auch auf das Wirrwarr um Samaranchs ausgefallenen Besuch hätte beziehen können: „So geht das nicht, Kinder.“ Bernhard Landwehr /Jörg Welke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen