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■ ÖkolumneKonferenztourismus Von Andreas Zumach

Es war mal wieder eine gelungene Konferenz. Die UmweltministerInnen aller 45 europäischen Staaten hatten sich letzte Woche auf Einladung der Schweizer Regierung im schönen Luzern am Vierwaldstätter See eingefunden. Selbst ihre AmtskollegInnen aus den Hauptstädten Sydney, Tokio, Ottawa und Washington scheuten die Anreise zur dreitägigen Tagung „Umwelt für Europa“ nicht. Unterbringung, Verpflegung und Organisation waren von typisch eidgenössischer Perfektion, der Papierausstoß gewaltig. Das strahlende Sonnenwetter erlaubte die Verlagerung zahlreicher Beratungen auf die herrliche See-Terrasse des Kongreßgebäudes, und hervorragende ÜbersetzerInnen sorgten für ideale Kommunikationsbedingungen. Zudem kannten sich die meisten TeilnehmerInnen ja schon von UNCED-Gipfel in Rio. Am Ende stimmten fast alle dem Resümee von Berns neuer Umweltministerin Ruth Dreifuß zu: „Es war ein voller Erfolg.“ Nur ihre eigenwillige Amtskollegin aus Wien störte auf der Abschlußveranstaltung mit deutlicher, präziser Kritik das glatte Erfolgsbild. Und Greenpeace, der WWF und andere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) waren natürlich „enttäuscht“ und „äußerst unzufrieden“: weil die Schlußerklärung mit ihrem „Aktionsprogramm für Mittel- und Osteuropa“ zwar viele schöne Absichtserklärungen, aber keine konkreten Beschlüsse und vor allem keine Finanzzusagen des reichen Westens für den armen Osten enthält. Und weil die Aussage zur Bändigung der Kohlendioxid-Emissionen (CO2) noch hinter die in Rio vereinbarte Formulierung zurückfällt; weil die Atomenergie nach Meinung einer großen Mehrheit der 49 MinisterInnen auch langfristig genutzt werden soll; und schließlich, weil wichtige Themen wie Giftmüll(export) und die Umschichtung von Finanzen aus nationalen Militärhaushalten in Umweltbudgets völlig ausgespart blieben.

Mit dem Luzerner Abschlußdokument ist Osteuropas Umwelt nicht geholfen. Dafür dürfte es so mancher westeuropäischen Regierung als Alibi dienen, hinter Positionen zurückzufallen, die sie früher einmal auf internationaler Ebene unterschrieben oder auf nationaler Ebene festgelegt hat. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Bonner Kabinettsbeschluß zur Reduzierung von CO2-Emissionen vom Herbst 1990 – und sein Schicksal seitdem. Im Vorfeld von Rio konnte Klaus Töpfer sich wegen dieses Beschlusses auf zahlreichen internationalen Umwelt- und Klimakonferenzen als Vorreiter feiern lassen. Daß in Bonn vor Rio (und auch danach) überhaupt nichts zur Umsetzung des Beschlusses getan wurde, registrierten zunächst fast nur die USA – was den großen Ärger der Bush-Administration über die scheinheiligen Bonner in den Monaten vor dem UNCED- Gipfel sehr verständlich macht. Die Rio-Formulierung zu CO2, die natürlich nicht so weit geht wie der Bonner Kabinettsbeschluß, erlaubte der Bundesregierung den politischen (Teil-)Rückzug. Als Begründung diente die fadenscheinige Behauptung, angesichts des grenzüberschreitenden Charakters des CO2-Problems bringe ein Alleingang nichts. Und das Ergebnis von Luzern macht den Rückzug wieder ein Stück leichter.

Gibt es eine zwangsläufige Logik, wonach die Verlagerung von Entscheidungen auf internationale Konferenzen oder auch Staatengemeinschaften wie die EG immer nur zur Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner oder auf unverbindliche Formelkompromisse führt? Und damit automatisch in einigen, wenn nicht sogar in einer Mehrheit der beteiligten Staaten zu einer Zurücknahme von zuvor auf nationaler Ebene beschlossenen Vorhaben oder gar zur Senkung bereits gültiger Standards und Bestimmungen? Die Erfahrungen aus Luzern, Rio und anderen internationalen Konferenzen der letzten Jahre – nicht nur zu Umweltthemen – legen dies nahe. Bei der Weltmenschenrechtskonferenz Mitte Juni in Wien, deren mühevolle Vorbereitung heute nacht in Genf mit einem Textentwurf voll unverbindlicher Formelkompromisse abgeschlossen wurde, droht eine ähnliche Erfahrung wie in Luzern. Zumindest die NGOs, die häufig sehr viel Energie in die kritische Begleitung derartiger Konferenzen stecken, sollten sich viel öfter fragen, ob dieser Aufwand lohnt. Oder ob sie ihre begrenzten Ressourcen an Zeit, Geld und Arbeitskraft nicht besser für Druck auf nationale Entscheidungsebenen einsetzen. Auch wenn dann so manche schöne Reise nicht stattfindet.

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