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„Konstitutionelle Monarchie“ Rußland?

■ Verfassungsausschuß des Parlaments lehnt Entwurf Präsident Jelzins ab

Moskau (AFP) – Die von Präsident Boris Jelzin angekündigten „entscheidenden Maßnahmen“ zur Einführung eines Präsidialsystems in Rußland haben im Verfassungsausschuß des Parlaments einen ersten Rückschlag erlitten. Die Kommission wies Jelzins Verfassungsentwurf am Freitag zurück: der Entwurf enthalte zwar einzelne Normen, die als Arbeitsgrundlage dienen könnten, andere Elemente würden jedoch die Menschen- und Bürgerrechte grundlegend begrenzen und gegen die Gewaltenteilung verstoßen.

Vize-Parlamentspräsident Nikolaj Rjabow erklärte zu Beginn der Sitzung des Verfassungsausschusses, Jelzins Projekt komme einer „konstitutionellen Monarchie“ gleich. Jelzins Entwurf sei unannehmbar, da Erlasse des Präsidenten Gesetzeskraft erhalten sollen und der Präsident die Möglichkeit erhält, die Anwendung von Gesetzen über die Anrufung des Verfassungsgerichts einfrieren zu lassen. Der Ausschuß begrüßte jedoch die im nach seinen Urhebern benannten „Schachraj-Alexejew“-Vorschlag vorgesehene Unabhängigkeit der Regierung vom Präsidenten, die größeren individuellen Rechte sowie die Einflußmöglichkeiten der Autonomen Republiken. Jelzin hatte am Donnerstag erklärt, die ohne seine Zustimmung erfolgte Einberufung des Ausschusses sei ungültig – dennoch legten seine Mitarbeiter den Entwurf Jelzins vor.

Wie aus Kreisen des russischen Parlaments verlautete, darf die konservativ-nationalistische Opposition am Sonntag, dem Jahrestag des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland, entgegen ersten Anordnungen doch auf dem Roten Platz vor dem Kreml demonstrieren. Parlamentspräsident Chasbulatow und andere Wortführer der Opposition wollen den Demonstrationszug anführen.

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